Grazer Wahl ist im Land „Chefsache“
Der verfrühte Wahlkampf in Graz hat nicht nur die städtischen Politiker aus ihren sommerlichen Urlaubsträumen gerissen. Auch in der Tektonik der Landespolitik sind die Grazer Wellen zu spüren. Denn keiner Partei kann das Abschneiden im urbanen Raum gleichgültig sein – alle haben auf dem umkämpften Boden viel zu verlieren.
Schon die Statistik beleuchtet die Bedeutung des Zentralraums: Fast jede(r) vierte der steirischen Wahlberechtigten lebt in Graz, wobei diese Quote durch den starken Zuzug immer bedeutsamer wird. „Außerdem hat es große symbolische Kraft, wie erfolgreich man in der Hauptstadt abschneidet“, sagt der Politologe Dass Graz auch bei Landtagswahlen oft genug der entscheidende Faktor war, wissen die Parteistrategen aus der leidvollen Erfahrung manch langen Wahlsonntags. So hätte etwa die Landes-ÖVP mit Hermann Schützenhöfer schon 2015 den Landeshauptmann aus eigener Kraft zurückerobern können – wenn man in Graz besser abgeschnitten hätte.
So verwundert es nicht, dass man den Grazer Urnengang in allen Landesparteizentralen mit höchster Priorität versieht. Mehr noch: Einige Parteichefs werden sogar selbst in der Stadt kandidieren. So tritt etwa NeosLandtagsklubchef an – wenn auch nur am letzten Listenplatz. „Eine symbolische Unterstützung“, sagt er.
Auch FP-Chef
(er wohnt seit einiger Zeit in Graz-St. Peter) und KPÖ-Chefin liebäugeln mit einer Solidaritätskandidatur. Wobei Kunasek betont: „Wichtig ist nicht die Liste, sondern dass ich aktiv im Wahlkampf mitmischen werde.“Schon kommenden Mittwoch bestreitet er einen Bürgerstammtisch in Graz-Andritz.
Was die Wahlziele betrifft, will sich keine der Landesparteien besonders weit hinauslehnen. Zu unberechenbar sind die Verhältnisse in der Wechselwähler-Hochburg. In der ÖVPLandeszentrale zieht sich Geschäftsführer deshalb auf die von Bürgermeister genannte Formel zurück: Man wolle „die Mandate und die Sitze im Stadtsenat halten“.
Schützenhöfer und Nagl pflegen bekanntlich eine wechselvolle Parteifreundschaft. In welcher Form der LH persönlich im Wahlkampf auftreten wird, bleibt offen. „Der Chef wird sein, wo immer er gebraucht wird“, sagt Eisel-Eiselsberg. Als wichtiger gilt sowieso die Frage, mit wem Nagl nach der Wahl regieren kann. EiselEiselsberg bekennt offen: „Mir wäre es lieber, wenn wir auch in Graz eine Koalition mit der SPÖ hätten.“
Eisel-Eiselsberg: „Der Chef wird sein, wo er gebraucht wird“
Das würde freilich einen großen Wahlerfolg der SPÖ voraussetzen, und auf den traut sich kaum jemand wetten. Etwas Hoffnung spendet die Statistik: Bei der letzten Graz-Wahl (2017) kam die Stadt-SPÖ nur auf knapp 12.700 Stimmen, bei der Landtagswahl 2019 hingegen im Bezirk Graz-Stadt schon wieder auf fast 18.000 Stimmen, obwohl es weniger Wahlberechtigte gab. Stadtparteichef habe die Truppe geeint, lobt SPLandesgeschäftsführer Günter Pirker. Trotzdem bleibt er auf Distanz: „Es ist der Wahlkampf der Grazer SPÖ, sie hat ja laut Statut eine eigene Rechtspersönlichkeit.“Die Landespartei mit werde „natürlich vom ersten Tag an unterstützend dabei sein.“Außerdem sollen bekannte, in Graz ansässige Bundes- und Landespolitiker wie Landesrätin
Klubchef die Mandatare und auftreten.
Doris Kampus, Hannes Schwarz Verena Nussbaum Klaus Zenz
oder
im Wahlkampf
Klimt-Weithaler: „20 Prozent, das ist schwierig zu halten“
Spannend wird die Wahl für die Grünen: Das magere Resultat 2017 lautete 10,05 Prozent, bei der jüngsten Landtagswahl gab es in Graz-Stadt 25,2 Prozent Zustimmung. Eine enorme Bandbreite, eine Hochschaubahn zwischen Bangen und Hoffen. „Wir sind sehr gut vorbereitet und werden ordentlich Gas geben“, sagt Parteichefin
sei eine „extrem gute Kandidatin“und „ein seriöses Angebot für echte Veränderung“. Eine Koalition mit der Nagl-VP schließt Krautwaschl nicht aus, das müssten aber die Grazer Grünen entscheiden. Sie werde im Wahlkampf mitmischen: „Ich bin ja eine leidenschaftliche Wahlkämpferin.“
Die KPÖ verteidigt in Graz einmal mehr ihre Sonderstellung als Massenpartei. Die 20,3 Prozent und zwei Stadtsenatssitze vom letzten Mal werden aber „schwierig zu halten“sein, das weiß Landtagsklubobfrau Klimt-Weithaler. Dennoch wer
Niko Swatek: „Symbolische“Kandidatur auf Graz-Liste
de man es versuchen, sagt sie und begründet den Optimismus: „Wenn man nicht Machtspiele betreibt, sondern sich um Anliegen der Menschen kümmert, bekommt man das am Wahltag von den Wählern zurück.“
Für die Neos war Graz zuletzt ein guter Boden: Bei der Landtagswahl kam man in der Stadt auf 8,6 Prozent und sicherte damit den Landtagseinzug. Für die Kommunalwahl sei diese Marke aber „leider“nicht das Wahlziel, bekennt Parteichef Swatek, denn: „Die Grazer unterscheiden sehr stark zwischen den einzelnen Wahlgängen.“Swatek kommt ja aus dem Grazer Gemeinderat, er sieht die Kommunalpolitik nach wie vor als „Königsklasse der Politik“, weil es dort nicht um Grundsatzdebatten, sondern um konkrete Lösungen gehe.
Politologe Wassermann sieht für alle Landesparteien eine starke Bewährungsprobe. Und er bemüht eine Formel, die noch für jede Wahl galt: „Der Sieg
Mario Kunasek: Er will alle Coronahilfen prüfen lassen
kennt viele Väter, die Niederlage nur Übeltäter.“
Im Landtag steht kommenden Dienstag die letzte Sitzung vor der Sommerpause an – es bleibt also kaum Zeit, den Grazer Wahlkampf ins Landhaus zu tragen. Einen bemerkenswerten Vorstoß bereitet indes die Landes-FPÖ vor: Sie bringt einen Antrag ein, wonach der Landesrechnungshof alle finanziellen Coronahilfen des Landes prüfen soll. „Die durchaus großzügige und teils intransparente Subventionspraxis gibt aus unserer Sicht Anlass genug“, begründet Parteichef Kunasek und rechnet vor, dass das Land vom Bund bis September letzten Jahres rund ein Fünftel der versprochenen 122 Millionen Euro an Hilfsgeldern erhalten hat. Die FPÖ allein kann allerdings die Prüfung nicht erzwingen – Kunasek wirbt deshalb um Unterstützung der anderen Oppositionsfraktionen.