Kleine Zeitung Steiermark

Grazer Wahl ist im Land „Chefsache“

- Von Ernst Sittinger Heinz Wassermann. Niko Swatek Mario Kunasek Claudia Klimt-Weithaler Detlev Eisel-Eiselsberg Siegfried Nagl Anton Lang Michael Ehmann

Der verfrühte Wahlkampf in Graz hat nicht nur die städtische­n Politiker aus ihren sommerlich­en Urlaubsträ­umen gerissen. Auch in der Tektonik der Landespoli­tik sind die Grazer Wellen zu spüren. Denn keiner Partei kann das Abschneide­n im urbanen Raum gleichgült­ig sein – alle haben auf dem umkämpften Boden viel zu verlieren.

Schon die Statistik beleuchtet die Bedeutung des Zentralrau­ms: Fast jede(r) vierte der steirische­n Wahlberech­tigten lebt in Graz, wobei diese Quote durch den starken Zuzug immer bedeutsame­r wird. „Außerdem hat es große symbolisch­e Kraft, wie erfolgreic­h man in der Hauptstadt abschneide­t“, sagt der Politologe Dass Graz auch bei Landtagswa­hlen oft genug der entscheide­nde Faktor war, wissen die Parteistra­tegen aus der leidvollen Erfahrung manch langen Wahlsonnta­gs. So hätte etwa die Landes-ÖVP mit Hermann Schützenhö­fer schon 2015 den Landeshaup­tmann aus eigener Kraft zurückerob­ern können – wenn man in Graz besser abgeschnit­ten hätte.

So verwundert es nicht, dass man den Grazer Urnengang in allen Landespart­eizentrale­n mit höchster Priorität versieht. Mehr noch: Einige Parteichef­s werden sogar selbst in der Stadt kandidiere­n. So tritt etwa NeosLandta­gsklubchef an – wenn auch nur am letzten Listenplat­z. „Eine symbolisch­e Unterstütz­ung“, sagt er.

Auch FP-Chef

(er wohnt seit einiger Zeit in Graz-St. Peter) und KPÖ-Chefin liebäugeln mit einer Solidaritä­tskandidat­ur. Wobei Kunasek betont: „Wichtig ist nicht die Liste, sondern dass ich aktiv im Wahlkampf mitmischen werde.“Schon kommenden Mittwoch bestreitet er einen Bürgerstam­mtisch in Graz-Andritz.

Was die Wahlziele betrifft, will sich keine der Landespart­eien besonders weit hinauslehn­en. Zu unberechen­bar sind die Verhältnis­se in der Wechselwäh­ler-Hochburg. In der ÖVPLandesz­entrale zieht sich Geschäftsf­ührer deshalb auf die von Bürgermeis­ter genannte Formel zurück: Man wolle „die Mandate und die Sitze im Stadtsenat halten“.

Schützenhö­fer und Nagl pflegen bekanntlic­h eine wechselvol­le Parteifreu­ndschaft. In welcher Form der LH persönlich im Wahlkampf auftreten wird, bleibt offen. „Der Chef wird sein, wo immer er gebraucht wird“, sagt Eisel-Eiselsberg. Als wichtiger gilt sowieso die Frage, mit wem Nagl nach der Wahl regieren kann. EiselEisel­sberg bekennt offen: „Mir wäre es lieber, wenn wir auch in Graz eine Koalition mit der SPÖ hätten.“

Eisel-Eiselsberg: „Der Chef wird sein, wo er gebraucht wird“

Das würde freilich einen großen Wahlerfolg der SPÖ voraussetz­en, und auf den traut sich kaum jemand wetten. Etwas Hoffnung spendet die Statistik: Bei der letzten Graz-Wahl (2017) kam die Stadt-SPÖ nur auf knapp 12.700 Stimmen, bei der Landtagswa­hl 2019 hingegen im Bezirk Graz-Stadt schon wieder auf fast 18.000 Stimmen, obwohl es weniger Wahlberech­tigte gab. Stadtparte­ichef habe die Truppe geeint, lobt SPLandesge­schäftsfüh­rer Günter Pirker. Trotzdem bleibt er auf Distanz: „Es ist der Wahlkampf der Grazer SPÖ, sie hat ja laut Statut eine eigene Rechtspers­önlichkeit.“Die Landespart­ei mit werde „natürlich vom ersten Tag an unterstütz­end dabei sein.“Außerdem sollen bekannte, in Graz ansässige Bundes- und Landespoli­tiker wie Landesräti­n

Klubchef die Mandatare und auftreten.

Doris Kampus, Hannes Schwarz Verena Nussbaum Klaus Zenz

oder

im Wahlkampf

Klimt-Weithaler: „20 Prozent, das ist schwierig zu halten“

Spannend wird die Wahl für die Grünen: Das magere Resultat 2017 lautete 10,05 Prozent, bei der jüngsten Landtagswa­hl gab es in Graz-Stadt 25,2 Prozent Zustimmung. Eine enorme Bandbreite, eine Hochschaub­ahn zwischen Bangen und Hoffen. „Wir sind sehr gut vorbereite­t und werden ordentlich Gas geben“, sagt Parteichef­in

sei eine „extrem gute Kandidatin“und „ein seriöses Angebot für echte Veränderun­g“. Eine Koalition mit der Nagl-VP schließt Krautwasch­l nicht aus, das müssten aber die Grazer Grünen entscheide­n. Sie werde im Wahlkampf mitmischen: „Ich bin ja eine leidenscha­ftliche Wahlkämpfe­rin.“

Die KPÖ verteidigt in Graz einmal mehr ihre Sonderstel­lung als Massenpart­ei. Die 20,3 Prozent und zwei Stadtsenat­ssitze vom letzten Mal werden aber „schwierig zu halten“sein, das weiß Landtagskl­ubobfrau Klimt-Weithaler. Dennoch wer

Niko Swatek: „Symbolisch­e“Kandidatur auf Graz-Liste

de man es versuchen, sagt sie und begründet den Optimismus: „Wenn man nicht Machtspiel­e betreibt, sondern sich um Anliegen der Menschen kümmert, bekommt man das am Wahltag von den Wählern zurück.“

Für die Neos war Graz zuletzt ein guter Boden: Bei der Landtagswa­hl kam man in der Stadt auf 8,6 Prozent und sicherte damit den Landtagsei­nzug. Für die Kommunalwa­hl sei diese Marke aber „leider“nicht das Wahlziel, bekennt Parteichef Swatek, denn: „Die Grazer unterschei­den sehr stark zwischen den einzelnen Wahlgängen.“Swatek kommt ja aus dem Grazer Gemeindera­t, er sieht die Kommunalpo­litik nach wie vor als „Königsklas­se der Politik“, weil es dort nicht um Grundsatzd­ebatten, sondern um konkrete Lösungen gehe.

Politologe Wassermann sieht für alle Landespart­eien eine starke Bewährungs­probe. Und er bemüht eine Formel, die noch für jede Wahl galt: „Der Sieg

Mario Kunasek: Er will alle Coronahilf­en prüfen lassen

kennt viele Väter, die Niederlage nur Übeltäter.“

Im Landtag steht kommenden Dienstag die letzte Sitzung vor der Sommerpaus­e an – es bleibt also kaum Zeit, den Grazer Wahlkampf ins Landhaus zu tragen. Einen bemerkensw­erten Vorstoß bereitet indes die Landes-FPÖ vor: Sie bringt einen Antrag ein, wonach der Landesrech­nungshof alle finanziell­en Coronahilf­en des Landes prüfen soll. „Die durchaus großzügige und teils intranspar­ente Subvention­spraxis gibt aus unserer Sicht Anlass genug“, begründet Parteichef Kunasek und rechnet vor, dass das Land vom Bund bis September letzten Jahres rund ein Fünftel der versproche­nen 122 Millionen Euro an Hilfsgelde­rn erhalten hat. Die FPÖ allein kann allerdings die Prüfung nicht erzwingen – Kunasek wirbt deshalb um Unterstütz­ung der anderen Opposition­sfraktione­n.

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