Von der Leyen und die Geschichte
Die EU hat wieder ein Opfer gefunden: Slowenien und seinen Ministerpräsidenten Janez Janˇsa. Und dieser seinerseits lässt sich keine Gelegenheit zur Provokation entgehen. Es war bei der Übernahme der – unterdessen weitgehend bedeutungslos gewordenen – EU-Präsidentschaft durch Slowenien am letzten Mittwoch in Laibach. Bei der gemeinsamen Sitzung von Europäischer Kommission und slowenischer Regierung zeigte Janˇsa unvermittelt ein Foto, auf dem mehrere Richter und Politiker zu sehen sind. Einige davon waren mit „S&D“bezeichnet.
S&D bedeutet „Sozialisten und Demokraten“, die Selbstbezeichnung der europäischen Sozialdemokraten. Zu sehen war unter anderen Tanja Fajon, die Vorsitzende der slowenischen Sozialdemokraten und Europaabgeordnete. Das Foto dürfte bei einer 1. MaiFeier aufgenommen worden. Einige Teilnehmer trugen angeblich T-Shirts mit einem großen rotem Stern.
Die Absicht Janˇsas ist klar: Er wollte damit zeigen, dass in Slowenien immer noch Richter und Staatsanwälte aus kommunistischer Zeit im Amt sind und die Sozialdemokraten keine Trennlinie zu ihnen gezogen haben. Slowenien hat deshalb auch als einziger der 22 teilnehmenden EU-Staaten keine Staatsanwälte für die Europäische Staatsanwaltschaft delegiert. Die Slowenen haben sich zwar die Unabhängigkeit von Jugoslawien erkämpft – übrigens unter militärischer Führung durch Janˇsa –, einen echten Bruch mit der kommunistischen Vergangenheit gab es aber nie. In Justiz, Medien und Wirtschaft sind überall alte Seilschaften vertreten. Manche Juristen verstehen ihre Aufgabe als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln – und Janˇsa ist ein persönlich Betroffener davon. an könnte über die Veranstaltung in Laibach hinweggehen, wenn nicht Ursula von der Leyen dort die Bemerkung gemacht hätte, dass auch Richter ein Recht „auf ihre Geschichte haben“. Hätte sie das über Richter aus der ehemaligen DDR gesagt, wäre es ein handfester Skandal. So aber ist es nur ein Urteil über ihren mangelnden Scharfsinn. Sie hat nämlich nicht bemerkt, dass sie damit nur Janˇsa bestätigt.
lebt als Journalist in Wien.
„Man könnte über dieVeranstaltung hinwegehen, wenn nicht Ursula von der Leyen eine Bemerkung gemacht hätte.“
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