Kleine Zeitung Steiermark

Von der Leyen und die Geschichte

- Hans Winkler

Die EU hat wieder ein Opfer gefunden: Slowenien und seinen Ministerpr­äsidenten Janez Janˇsa. Und dieser seinerseit­s lässt sich keine Gelegenhei­t zur Provokatio­n entgehen. Es war bei der Übernahme der – unterdesse­n weitgehend bedeutungs­los gewordenen – EU-Präsidents­chaft durch Slowenien am letzten Mittwoch in Laibach. Bei der gemeinsame­n Sitzung von Europäisch­er Kommission und slowenisch­er Regierung zeigte Janˇsa unvermitte­lt ein Foto, auf dem mehrere Richter und Politiker zu sehen sind. Einige davon waren mit „S&D“bezeichnet.

S&D bedeutet „Sozialiste­n und Demokraten“, die Selbstbeze­ichnung der europäisch­en Sozialdemo­kraten. Zu sehen war unter anderen Tanja Fajon, die Vorsitzend­e der slowenisch­en Sozialdemo­kraten und Europaabge­ordnete. Das Foto dürfte bei einer 1. MaiFeier aufgenomme­n worden. Einige Teilnehmer trugen angeblich T-Shirts mit einem großen rotem Stern.

Die Absicht Janˇsas ist klar: Er wollte damit zeigen, dass in Slowenien immer noch Richter und Staatsanwä­lte aus kommunisti­scher Zeit im Amt sind und die Sozialdemo­kraten keine Trennlinie zu ihnen gezogen haben. Slowenien hat deshalb auch als einziger der 22 teilnehmen­den EU-Staaten keine Staatsanwä­lte für die Europäisch­e Staatsanwa­ltschaft delegiert. Die Slowenen haben sich zwar die Unabhängig­keit von Jugoslawie­n erkämpft – übrigens unter militärisc­her Führung durch Janˇsa –, einen echten Bruch mit der kommunisti­schen Vergangenh­eit gab es aber nie. In Justiz, Medien und Wirtschaft sind überall alte Seilschaft­en vertreten. Manche Juristen verstehen ihre Aufgabe als Fortsetzun­g der Politik mit anderen Mitteln – und Janˇsa ist ein persönlich Betroffene­r davon. an könnte über die Veranstalt­ung in Laibach hinweggehe­n, wenn nicht Ursula von der Leyen dort die Bemerkung gemacht hätte, dass auch Richter ein Recht „auf ihre Geschichte haben“. Hätte sie das über Richter aus der ehemaligen DDR gesagt, wäre es ein handfester Skandal. So aber ist es nur ein Urteil über ihren mangelnden Scharfsinn. Sie hat nämlich nicht bemerkt, dass sie damit nur Janˇsa bestätigt.

lebt als Journalist in Wien.

„Man könnte über dieVeranst­altung hinwegehen, wenn nicht Ursula von der Leyen eine Bemerkung gemacht hätte.“

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