Kleine Zeitung Steiermark

Der Boomerang-Effekt

Je mehr Fälle, desto höher die Wahrschein­lichtkeit neuer Mutationen: Die Impfkrise in Entwicklun­gsländern und unsere Kurzsichti­gkeit führen dazu, dass die Pandemie anhält.

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Die Impfkampag­ne in Österreich und in Europa schreitet nun endlich zügig voran. Ein mögliches Ende ist nach mehr als einem Jahr in der Corona-Pandemie in Sicht. Doch schon tauchen dunkle Wolken am so herbeigese­hnten Sommerhimm­el auf. Es scheint, als könnte uns die sogenannte Delta-Variante die Ferien – oder besser gesagt den Herbst – nun doch noch vermiesen. Die Infektions­zahlen steigen in Europa wieder. Großbritan­nien, Portugal und Spanien kämpfen bereits mit hohen Inzidenzen.

Warum taucht diese neue Mutation gerade jetzt auf? Das ist kein Zufall. Denn: Je mehr Fälle und damit mehr Übertragun­gen es gibt, desto größer ist die Wahrschein­lichkeit, dass eine bedeutsame Mutation auftritt. Zuletzt war das in Indien so geschehen. In den vergangene­n beiden Monaten hatte es an manchen Tagen mehr als 400.000 neue Infektione­n gegeben. Dafür wurden auch Großverans­taltungen wie Wahlkampf-Auftritte und religiöse Feste verantwort­lich gemacht. Und die Tatsache, dass Indien zu viele Impfstoffe ins Ausland exportiert­e und zu wenig rasch im eigenen Land verimpfte. Mit diesem hohen Infektions­geschehen trat auch die als besonders ansteckend geltende Delta-Variante erstmals auf.

Im Umkehrschl­uss bedeutet das also auch: Reduziert man die Zahl der Infektione­n, grenzt man das Spielfeld für das Virus ein. Dazu müsste man jedoch die Pandemie weltweit viel ernsthafte­r bekämpfen. Während reiche Länder immer noch Impfstoff horten, fehlt es in Afrika, Asien und in Teilen Südamerika­s an Milliarden Impfdosen.

Nicht verwunderl­ich also, dass die Zahl der Corona-Infektione­n in Afrika jede Woche um 25 Prozent steigt und die DeltaVaria­nte inzwischen schon in 14 afrikanisc­hen Ländern nachgewies­en wurde. Im Schnitt sind auf dem ganzen Kontinent nur 1,5 Prozent der Bevölkerun­g gegen das Coronaviru­s geimpft. Und auch in Asien zieht die Ausbreitun­g der Delta-Variante bereits wieder Konsequenz­en nach sich. Viele asiatische Länder machen ihre Grenzen dicht und verhängen Ausgangssp­erren sowie Einreisest­opps.

Doch was tun? 50 Milliarden Dollar seien notwendig, um die Pandemie in den Entwicklun­gsländern schneller zu beenden, sagt die WHO. Neue Infektione­n und Todesfälle könnten so verhindert werden. Außerdem appelliert die Weltgesund­heitsorgan­isation an Länder, die ihr Gesundheit­spersonal, Alte und Vorerkrank­te schon durchgeimp­ft haben, etwas von ihren Dosen abzugeben. Das passiere immer noch zu wenig.

Mehr als 75 Prozent aller Impfungen sind bisher in gerade einmal zehn Ländern verteilt worden. Die Impfkrise zeigt einmal mehr die unerträgli­che Ungleichhe­it und führt dazu, dass die Pandemie anhält. olange sich das Infektions­karussell also munter weiterdreh­t und sich das Virus mancherort­s beinahe ungehinder­t ausbreiten kann, werden auch wir vor neuen Mutationen nicht gefeit sein. Den Fokus nur auf uns selbst zurichten, ist in einer globalen Welt stets kurzsichti­g – dieses Mal umso mehr.

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