„Landwirte sind Seismografen des Klimas“
Schweinefutter aus genfreiem Soja geht nicht von heute auf morgen, sagt Reinhard Wolf, Vorstandschef der Raiffeisen Ware Austria AG (RWA). Ein Gespräch über Getreide, Pflanzenschutz, Baustoffe und das Wetter.
eine sehr gute Nachfrage, vor allem aus China. Wir hatten schlechte Ernten in Rumänien und in Frankreich. Dazu kommt: Die Nachfrage nach Mais steigt auch in der Industrie – für die Ethanol- und Stärke-Herstellung. Obendrein sind in den Maismärkten derzeit sehr viele Finanzspekulanten
aktiv.
Beim Soja-Markt muss man zwischen GMO (gentechnisch verändert, Anm.) und Non-GMO (genfrei) unterscheiden. Und es ist vor allem das Non-GMO-Soja nach oben gegangen. Früher war das nur ein österreichisches Thema, heute ist es ein europäisches.
Es gibt Bestrebungen, in Österreich die Schweinefütterung auf Non-GMO umzustellen. Gibt es überhaupt genug genfreies Soja?
Wir produzieren in Europa zu wenig Eiweiß-Futtermittel. Das ist ein Faktum. Das Umstellen der Schweinefütterung auf Non-GMO geht daher sicher nicht von heute auf morgen. Mittelfristig ist sicher einiges möglich. Aber die Produktionskosten würden deutlich steigen. Wie wettbewerbsfähig ist dann noch die österreichische Landwirtschaft?
Es wird teurer, ganz klar. Der Landwirt, die Landwirtin, kann diese Mehrkosten nicht schlucken. Und wer die Herkunft nicht deklarieren muss, wird zu billigen Importprodukten greifen – Kantinen, Wursthersteller, wer auch immer. Solche Maßnahmen isoliert in Österreich zu machen, ist riskant.
Bei der Preisfrage scheiden sich die Geister. Die Bauern kritisieren Aktionen in Supermärkten,
Das ist schon ein Punkt. Wir haben schon eine Verpflichtung, an jene zu denken, die sich finanziell schwertun. Die alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern kauft das billige Toastbrot und den Pressschinken nicht, weil er ihr so schmeckt, sondern weil sie nichts anderes im Börserl hat.
Was die Landwirtschaft in den Fokus der Konsumenten gerückt hat, ist der Pflanzenschutz. Der Nationalrat hat im Mai ein Teilverbot von Glyphosat beschlossen. Wie trifft das die RWA?
In unserer Bilanz ist das egal. Wenn das eine Mittel nicht eingesetzt werden darf, werden halt Ersatzmittel herangezogen, die oft noch teurer sind. Da bin ich vollkommen entspannt. Aber wir müssen höllisch aufpassen, dass wir nicht ein Fachthema von einer gesellschaftspolitischen Diskussion überla
gern lassen. Bei Glyphosat wissen alle was richtig ist und was nicht richtig ist, weil es ausschließlich gesellschaftspolitisch diskutiert wird. Und das halte ich für falsch. Solche Debatten sollte man wissenschaftsbasiert führen.
Ein Thema in allen Brachen ist die Digitalisierung. Wie weit ist die Landwirtschaft?
Sehr weit. Wir haben sogar ein eigenes Agro-Innovation-Lab, wo wir an Robotern arbeiten oder an besserer Satellitennavigation. Was in der Landwirtschaft nicht wegkommt, ist das Arbeiten unter freiem Himmel.
Ein Traktor kostet so viel wie ein Oberklasse-Auto. Wie viele Landwirte können sich diese Investition noch leisten?
Das war nie anders. Technik hat ihren Preis. Aber sie kann heute auch mehr. Die technische Ausstattung moderner Traktoren ist unglaublich.
Das mag sein. Aber das ist nicht nur in der Landwirtschaft so. Die kleinen Fleischereibetriebe in den Dörfern wurden durch Wurstfabriken ersetzt, Schuster oder Schneiderinnen durch Fabriken in China, das ist noch schlimmer. Einen Strukturwandel durch technischen Fortschritt gibt es überall. Er muss nur sozial abgefedert werden.
Landwirtschaft ist hochgradig digitalisiert, sagt Wolf. In der lila Box: Schlupfwespen-Pellets, die mittels Drohne abgeworfen werden
die Lagerhäuser sehr aktiv sind: Baustoffe. Was ist derzeit am schwierigsten zu bekommen?
Alles, was aus der Petrochemie kommt, wie Dämmstoffe, Isolierstoffe. Das ist im Moment das Schwierigste. Es geht auch ein Stück weit hinein in den Ziegel, in Stahl, Bewehrungsstahl, Holz zum Teil. Man muss da nur aufpassen. Das ist derzeit etwas überhitzt und nach jedem Berg kommt auch wieder ein Tal. Wir gehen davon aus, dass es im Herbst wieder zu einer Normalisierung kommt.
Wie wichtig sind die Privatkunden für die Lagerhäuser inzwischen geworden?
Für uns ist jeder Kunde, jede Kundin, wichtig. Wenn ich mir den österreichweiten Schnitt anschaue, machen wir 40 bis 50 Prozent des Umsatzes mit der Landwirtschaft. Unsere Kraft kommt schon vom Land. Aber natürlich schauen wir, dass wir andere Kunden ansprechen.