Kleine Zeitung Steiermark

„Die Wertekurse sind ohnehin ein Witz“

- Von Michael Jungwirth

Sarajuddin Rasuly lebt seit mehr als 40 Jahren in Österreich. Der gebürtige Afghane ist Politologe, kennt die Community und warnt vor einer blauäugige­n Asylpoliti­k.

Ist der Mord an dem jungen Mädchen durch mutmaßlich vier Afghanen ein schrecklic­her Kriminalfa­ll wie jeder andere auch?

SARAJUDDIN RASULY: Das ist eine grausame Tat. Ich kenne Afghanista­n und lebe schon lang in Österreich. Kein Land der Welt duldet, dass jemand, der um Asyl ansucht, in seinem Gastland so was macht. Die afghanisch­e Community ist bestürzt. Auch in Afghanista­n wird man für so eine Tat bestraft.

Hat die Tat eine kulturelle Note?

Die Afghanen kommen aus einer zutiefst traditione­llen islamische­n Gesellscha­ft. In der Heimat ist der Kontakt zwischen Buben und Mädchen vor der Ehe tabu. Die Trennung ist so stark, dass sich Mann und Frau oft erst bei der Hochzeit sehen.

Warum sind die Afghanen in der Kriminalit­ätsstatist­ik überpropor­tional stark vertreten?

Millionen haben Afghanista­n verlassen und haben dann unter unmenschli­chen Bedingunge­n im Iran, Pakistan, der Türkei gelebt. Sie hatten weder Arbeitsnoc­h Aufenthalt­spapiere und konnten jederzeit abgeschobe­n werden. Sie waren Freiwild. Viele sind unterwegs kriminell geworden, in die Drogenszen­e abgeglitte­n, wurden in Messerstec­hereien verwickelt oder landeten im Gefängnis. Andere wurden von Schleppern angelockt, hatten kein Geld und drifteten in der Beschaffun­gskriminal­ität ab. Viele Flüchtling­e kamen kriminell nach Österreich.

Vor 2015 gab es selten Probleme. Ich habe vielfach den österreich­ischen Behörden gesagt: Legt einen Schwerpunk­t auf Wertekurs, wo die Leute lernen, wie man sich Frauen gegenüber verhält, wie die Spielregel­n in Österreich aussehen.

Die Wertekurse sind ohnehin ein Witz. Die Kurse dauern manchmal nur ein paar Stunden und werden von Migranten geleitet, die nicht einmal Deutsch sprechen und nur kurz in Österreich leben. Diese Kurse sollten sich über Monate erstrecken, bis man die Sprache spricht.

Das Flüchtling­sjahr 2015 markierte eine Zäsur?

Angela Merkel hat 2015 gesagt, Deutschlan­d will sein freundlich­es Gesicht zeigen. Sie hat die Syrer gemeint, die vor Assad oder dem Islamische­n Staat geflüchtet sind. Die Schlepper haben das ausgenützt.

Wird bei den Asylverfah­ren nicht auch getrickst?

Es kommt vor, dass sich einige Pakistani als Afghanen ausgeben. Eine sprachlich­e Unterschei­dung ist schwierig. Wenn jemand seit 40 Jahren in Köln lebt und Kölsch spricht, weiß man auch nicht gleich, ob er aus Tirol oder Berlin kommt. Viele Schlepper reden den Flüchtling­en ein, sie mögen sich als Minderjähr­ige ausgeben. Wegen der Menge werden kaum noch Altersfest­stellungen gemacht. Diese sind ohnehin problemati­sch. Wenn der Arzt sagt, die Knie könnten von einem 28Jährigen stimmen, die Ellbogen von einen 20-Jährigen, die Zähne von einem 17-Jährigen, wird er als 17-Jähriger eingestuft. Ich schätze, mehr als die Hälfte der Minderjähr­igen ist älter als 18. Das gilt wohl auch für die mutmaßlich­en Täter.

Machen es die Behörden den Asylwerber­n zu leicht?

le als unsichere Gebiete eingestuft. Niemand wird in einen unsicheren Landesteil abgeschobe­n, nur in die drei Grossregio­nen. Diese gelten als inländisch­e Fluchtalte­rnative.

Millionen Menschen sind derzeit auf der Flucht vor den Taliban. Von den 400 Distrikten sind 200 in der Hand der Taliban, der Rest ist in Reichweite der Taliban. Die Großstädte sind derzeit nicht in Gefahr.

Kann man die Leute guten Gewissens abschieben?

Das ist eine Entscheidu­ng der Behörden. Ich sehe das Problem, dass sich mit dem Vormarsch der Taliban die wirtschaft­liche Not im Land erhöht. Wer freiwillig nach Afghanista­n zurückgeht, bekommt derzeit Geld. Ich meine, es sollte auch jene, die zwangsabge­schoben werden, Geld erhalten, damit sie sich nicht wieder auf den Weg machen.

Die Politik sträubt sich gern gegen die Integratio­n mit dem Argument, die Leute können dann schwerer abgeschobe­n werden.

Das ist falsch gedacht. Dass sie eine Sprache lernen, eine Ausbildung erfahren, die europäisch­en Werte kennenlern­en, ist eine kluge Form der Entwicklun­gshilfe.

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