Sind wirklich alle noch Kinder?
Als vor einem halben Jahr die zwölfjährige Tina mitten in der Nacht mit ihrer Schwester und Mutter nach Georgien abgeschoben wurde, fegte eine Protestwelle durch Österreich. Im Parlament wurde ein Misstrauensantrag gegen den Innenminister eingebracht, obwohl er sich darauf berief, dass mehrfache Asylanträge vom Gericht abgelehnt wurden und Abschiebeversuche stets scheiterten.
Auch in der Regierung eskalierte der Streit. Um Zeit zu gewinnen, setzte der Vizekanzler als Karenzvertreter der Justizministerin eine Kommission ein, die überprüfen soll, ob das Kindeswohl im Asyl- und Bleiberechtsverfahren angemessen berücksichtigt wird.
Als jetzt die dreizehnjährige Leonie tot aufgefunden wurde, ist das Pendel in die gegengesetzte Richtung ausgeschlagen. Es herrscht Entsetzen über die abscheuliche Tat, die von jungen Afghanen verübt worden sein soll. Der anklagende Chor wird immer lauter, warum die Asylsuchenden trotz abgelehnter Aufenthaltserlaubnis und trotz mehrfacher Haftstrafen nicht schon längst außer Landes gebracht wurden.
Unabhängig von der Schuldfrage, wie das passieren konnte und wer dafür verantwortlich ist, sollte man auch einen paradoxen Punkt im Asylrecht diskutieren. Jugendliche unter 18 Jahren, die sich allein bis in ihr Zielland durchschlagen, gelten als unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, die den besonderen Schutz der Kinderrechtskonvention genießen. Sind also die 18-jährigen Afghanen (sofern die Geburtsdaten überhaupt stimmen) noch schutzbedürftige Kinder, selbst wenn sie dealen, stehlen, vergewaltigen und töten? rmgard Griss will demnächst den Bericht ihrer Kindeswohlkommission vorlegen. Wird sie auf diese Frage eingehen? Oder wie die Justizministerin ausweichen? Ihr Vormund Werner Kogler bestritt, dass sie einen Abschiebestopp für Afghanen verlangt habe, sondern bloß eine Evaluierung. Nur: Als Alma Zadic´ das sagte, wurde es allgemein als Abschiebestopp verstanden. Die Klarstellung erfolgte erst, nachdem sich der Wind gedreht hatte.
war Chefredakteur der Kleinen Zeitung.
„Sind die 18-jährigen Afghanen noch schutzbedürftige Kinder, selbst wenn sie dealen, stehlen, vergewaltigen und töten?“
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