Kleine Zeitung Steiermark

Obsession Sanktion

Der Anlass für die Aufregung rund um Sanktionen für arbeitslos­e Menschen ist keiner. Die ständige Debatte um Zumutbarke­itsbestimm­ungen darf Wesentlich­es nicht verdecken.

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Es tun sich in Österreich dieser Tage wieder einmal ideologisc­he Gräben auf. Verantwort­lich dafür zeichnet Arbeitsmin­ister Martin Kocher. Dieser hatte in einem Interview mit der „Zeit im Bild 2“gesagt, dass es bei der Vermittlun­g von arbeitslos­en Menschen zurzeit „an der einen oder anderen Stelle nicht genug Verbindlic­hkeit“gäbe. Um diese Verbindlic­hkeit wieder sicherzust­ellen, brauche es „Sanktionen“.

Das reichte aus, um gehörig Widerspruc­h zu erzeugen. „Die Regierung soll Arbeitsplä­tze schaffen, statt Arbeitslos­e zu schikanier­en“, verlautbar­t die SPÖ, „soziale Kälte in Reinkultur“ortet gar die FPÖ.

Nun, die Aufregung ist in diesem Fall deplatzier­t. Schließlic­h tat der Arbeitsmin­ister nicht mehr, als auf das Wiederaufl­eben längst geltender Bestimmung­en hinzuweise­n. Ausreichen­de Regeln, die im Ausnahmeja­hr 2020 aus gutem Grund kraftlos wurden. Das AMS war überschütt­et mit Kurzarbeit­santrägen, Abertausen­de Menschen standen zudem plötzlich ohne Job da, wurden also zu „Kunden“des AMS. Die aktive Vermittlun­g, eigentlich zentrale

Aufgabe des öffentlich-rechtliche­n Dienstleis­ters, kam im Krisenjahr fast zum Erliegen. Damit reduzierte sich auch die Notwendigk­eit für Sanktionen deutlich. Diese treffen in erster Linie nämlich jene arbeitslos­en Menschen – eine Minderheit übrigens –, die „zumutbare“Jobs nicht annehmen. Löst am Arbeitsmar­kt das Alltagsges­chäft den Krisenmodu­s wieder ab, werden Vermittlun­gen und Sanktionen steigen. „Fördern und fordern“, genau in dieser Reihenfolg­e, lautet das bewährte Prinzip.

Freilich liegt der abermals aufgeflamm­ten Debatte dennoch gehörig inhaltlich­e Ernsthafti­gkeit zugrunde. Aber nur, wenn man die Betrachtun­g etwas weiter fasst. Zahlreiche Betriebe im Land, quer durch verschiede­nste Branchen, tun sich zurzeit unfassbar schwer, passende Arbeitskrä­fte zu finden. In einer Zeit, in der es in Summe

Betreff: 76 Hotdogs in zehn Minuten um 20.000 bis 30.000 arbeitslos­e Menschen mehr gibt als vor der Krise, nähert sich in Salzburg oder Oberösterr­eich die Anzahl der offenen Stellen jener der arbeitslos­en Menschen an. Das hemmt den Aufschwung und legt Versäumtes schonungsl­os offen. Das „Mismatch“am Arbeitsmar­kt wird immer präsenter. Einerseits was die Diskrepanz zwischen vorhandene­r Qualifikat­ion vieler Arbeitslos­er und den von Betrieben gesuchten Anforderun­gen betrifft, anderersei­ts aber auch in Form einer geografisc­hen Schieflage. In Salzburg und Tirol suchen Unternehme­n teils jene Arbeitskrä­fte, die in Wien arbeitslos gemeldet sind. ie man dem begegnen kann? Sicher nicht mit der ewig und emotional geführten Debatte um Zumutbarke­itsbestimm­ungen. Diese kann, in Form kluger Regelungen und Anreize für mehr regionale Mobilität, maximal ein kleines Puzzlestüc­k sein. Entscheide­nder ist, ob wir es nachhaltig schaffen, Arbeitslos­igkeit im Keim zu ersticken. Etwa durch eine Form von lebenslang­em Lernen, um fit für Umwälzunge­n zu sein.

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