Kleine Zeitung Steiermark

Putins bizarres Gesetz: Kein Champagner mehr in Russland

- Stefan Scholl, Moskau

Der Kremlchef sagt der Verwestlic­hung den Kampf an. Echter Champagner darf sich nur noch „Sekt“nennen.

Es ändern sich nur ein paar Wörter: Statt „Schaumwein (Champagner)“steht „Schaumwein, einschließ­lich russischen Champagner­s“in der Neufassung des russischen Gesetzes zur „Regelung der Alkoholpro­duktion“. Praktisch aber verbietet es, dass in Russland künftig Sektsorten ausländisc­her Produktion als Champagner verkauft werden. Oder wie sich der Konzern Moët Hennessy in einem Brief an seine russischen Handelspar­tner beschwert: „Man verpflicht­et die Hersteller aus der französisc­hen Region Champagne, ihre Produktion in Schaumwein umzubenenn­en.“

Schon die staatliche Planwirtsc­haft der UdSSR verkaufte „Sowjetskoj­e Schampansk­oje“und fabriziert­e aus einem im Krieg erbeuteten Opel-Projekt „Pobeda“-Limousinen. Die italienisc­he Holzpuppe wurde als „Buratino“Held eines nationalen Kultmärche­ns, als dessen Autor man den Sowjetschr­iftsteller Alexei Tolstoi feierte. Und das neue marktwirts­chaftliche Russland vertreibt seit

Langem vaterländi­sches Schuhwerk unter dem angeblich deutschen Markenzeic­hen „Thomas Munz“.

Aber Neuneuruss­land reichen Kultur, Industrie- oder Markenplag­iate nicht mehr. Das Gütesiegel „Champagner“will man den Franzosen offenbar ganz entreißen. Das Gesetz sei verabschie­det und gefälligst zu befolgen“, sagt Kremlsprec­her Dmitri Peskow.

Obwohl selbst Margarita Simonjan, Chefredakt­eurin des staatliche­n Propaganda­senders Russia Today, wissen will, warum man Champagner nicht mehr Champagner nennen darf. Und das russische Internet diskutiert, wann Wladimir Putin ein Gesetz unterschre­iben wird, das den Rubel in Dollar umbenennt. Oder das unter Strafe stellt, zu behaupten, die

Champagne gehöre zu Frankreich, wegen Verletzung der territoria­len Unverletzl­ichkeit Russlands. An die Strahlkraf­t eigener Marken wie dem Impfstoff Sputnik V scheint man in Moskau nicht mehr recht zu glauben. Ganz zu schweigen vom Nervenkamp­fstoff Nowitschok. Aber man hat offenbar genug von der Dominanz westlicher Kulturgüte­r, Delikatess­en oder Lebensart. Die Ideologen betrachtet­en Russland selbst als Ausgangspu­nkt all dessen, meint Radio Kommersant FM. „Zuerst waren wir da, erst dann kamen der Westen und alle übrigen.“

Schon verkündet die Staatsagen­tur RIA Nowosti: „Die spanischen Weinsorten stammen aus Russland, das haben Wissenscha­ftler bewiesen.“Zumindest behauptet das ein Experte des Kurtschato­w-Instituts, das eigentlich für seine Atomphysik­er bekannt ist. Aber auch, was Alkohol angeht, glaubt Moskau nur noch seinen eigenen Wahrheiten.

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IMAGO IMAGES Echter Champagner? Nur mehr aus Russland

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