Putins bizarres Gesetz: Kein Champagner mehr in Russland
Der Kremlchef sagt der Verwestlichung den Kampf an. Echter Champagner darf sich nur noch „Sekt“nennen.
Es ändern sich nur ein paar Wörter: Statt „Schaumwein (Champagner)“steht „Schaumwein, einschließlich russischen Champagners“in der Neufassung des russischen Gesetzes zur „Regelung der Alkoholproduktion“. Praktisch aber verbietet es, dass in Russland künftig Sektsorten ausländischer Produktion als Champagner verkauft werden. Oder wie sich der Konzern Moët Hennessy in einem Brief an seine russischen Handelspartner beschwert: „Man verpflichtet die Hersteller aus der französischen Region Champagne, ihre Produktion in Schaumwein umzubenennen.“
Schon die staatliche Planwirtschaft der UdSSR verkaufte „Sowjetskoje Schampanskoje“und fabrizierte aus einem im Krieg erbeuteten Opel-Projekt „Pobeda“-Limousinen. Die italienische Holzpuppe wurde als „Buratino“Held eines nationalen Kultmärchens, als dessen Autor man den Sowjetschriftsteller Alexei Tolstoi feierte. Und das neue marktwirtschaftliche Russland vertreibt seit
Langem vaterländisches Schuhwerk unter dem angeblich deutschen Markenzeichen „Thomas Munz“.
Aber Neuneurussland reichen Kultur, Industrie- oder Markenplagiate nicht mehr. Das Gütesiegel „Champagner“will man den Franzosen offenbar ganz entreißen. Das Gesetz sei verabschiedet und gefälligst zu befolgen“, sagt Kremlsprecher Dmitri Peskow.
Obwohl selbst Margarita Simonjan, Chefredakteurin des staatlichen Propagandasenders Russia Today, wissen will, warum man Champagner nicht mehr Champagner nennen darf. Und das russische Internet diskutiert, wann Wladimir Putin ein Gesetz unterschreiben wird, das den Rubel in Dollar umbenennt. Oder das unter Strafe stellt, zu behaupten, die
Champagne gehöre zu Frankreich, wegen Verletzung der territorialen Unverletzlichkeit Russlands. An die Strahlkraft eigener Marken wie dem Impfstoff Sputnik V scheint man in Moskau nicht mehr recht zu glauben. Ganz zu schweigen vom Nervenkampfstoff Nowitschok. Aber man hat offenbar genug von der Dominanz westlicher Kulturgüter, Delikatessen oder Lebensart. Die Ideologen betrachteten Russland selbst als Ausgangspunkt all dessen, meint Radio Kommersant FM. „Zuerst waren wir da, erst dann kamen der Westen und alle übrigen.“
Schon verkündet die Staatsagentur RIA Nowosti: „Die spanischen Weinsorten stammen aus Russland, das haben Wissenschaftler bewiesen.“Zumindest behauptet das ein Experte des Kurtschatow-Instituts, das eigentlich für seine Atomphysiker bekannt ist. Aber auch, was Alkohol angeht, glaubt Moskau nur noch seinen eigenen Wahrheiten.