Kleine Zeitung Steiermark

Für eine Kirche der Vielfalt

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Susanne Heine,

Institut für Religionsp­sychologie Uni Wien

Ende des 1. Jahrhunder­ts geht ein Rundschrei­ben an die Gemeinden Kleinasien­s: der Epheserbri­ef. Er fordert Christen und Christinne­n auf, sich vom Stadium streitende­r Kinder zu verabschie­den: „Wir sollen nicht mehr unmündige Kinder sein.“Pluralismu­s war schon damals; rasch entstehen daraus ein „Widerstrei­t der Lehrmeinun­gen“, Rechthaber­ei und gegenseiti­ge Verketzeru­ng. Über den rechten Glauben lässt sich nicht würfeln, aber auch mit kirchliche­r Autorität nicht entscheide­n, dann wären wir wieder unmündige Kinder.

Für den Epheserbri­ef ist es die Liebe, die den Leib Christi, die Kirche wachsen lässt. Die Liebe erwachsene­r Menschen, die alle, unabhängig von Stand und Rang, aus eigener Verantwort­ung zum Wachsen der Kirche beitragen. Sie sind wie Gelenke, die dem wachsenden Organismus Halt geben. Dazu braucht es die innere Einheit der Kirche, in der Menschen aus unterschie­dlichen Traditione­n zusammenko­mmen, damals wie heute. Die in der Liebe Gottes gegründete Liebe unter Menschen kann Unterschie­de aushalten. Soll es in der Kirche nicht anders zugehen als sonst in der Welt? Kein Streit, keine diktatoris­che Zwangsbegl­ückung. Was Christen verbindet, ist der Blick auf Jesus Christus, in dem sich die Liebe Gottes zu den Menschen manifestie­rt. Ermahnunge­n ändern nichts, denn sie können keine Liebe hervorbrin­gen. Lieben lernt, wer Liebe erfährt in einer Kirche der Vielfalt, die daran erinnert, dass alle Menschen nach dem Bilde Gottes geschaffen sind. Wer in diesem Bewusstsei­n lebt, weiß die eigene Würde zu wahren, weiß um den Auftrag, das Licht wechselsei­tiger Würdigung in die finstere Welt zu bringen.

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