Flexibilität brachte den Durchbruch
Victoria Hudson ist Österreichs Hoffnung im olympischen Speerwurf der Damen.
Die Bilder von ihrem Auftritt bei den Spielen 2012 in London sieht Elisabeth Eberl nach wie vor vor ihrem geistigen Auge. „Ich bin um 10 Uhr in das Stadion gekommen und auf einmal vor 60.000 Menschen gestanden. Das war richtig surreal. Danach habe ich mich gefragt, ob ich geträumt habe.“Neun Jahre später kann die Grazerin ihre Erfahrung an ihre Athletin weitergeben: Die 25-jährige Victoria Hudson, die seit 2015 unter Eberl trainiert, tritt heute im Speerwurf an. Mit der erfolgreichen Quali ist von beiden ein immenser Druck abgefallen. Hudson hatten wenige auf der Rechnung, „weil man nicht gesehen hat, was in den letzten Jahren bei Victoria weitergegangen ist. Sie wirft heuer nach einer EllbogenOperation im Vorjahr erstmals schmerzfrei und war davor schon auf einem Niveau von über 60 Meter. Wir wussten: Das Limit von 64 Meter kann sie schaffen – sie muss es nur im Wettkampf zeigen“.
Das ist schließlich Ende April in Eisenstadt gelungen – im allerersten Versuch. „Auch ich als Trainerin habe das erst nicht realisieren können. Es war ganz schön viel, was dieser eine Wurf in uns ausgelöst hat.“Eberl trainiert Hudson in allen Bereichen, von der Technik über die Kraft bis hin zur Athletik. Der Reiz des Speerwerfens ist das Filigrane; kleine Fehler kosten oft mehrere Meter. Um weit werfen zu können, „muss man stark, explosiv und flexibel sein. Stark und explosiv war Victoria schon immer“, berichtet Eberl und untermauert das in Zahlen: 105 Kilogramm drückt ihr Schützling auf der Bank, 80 Kilo reißt sie, 105 Kilo stößt sie. Für eine 63 Kilo leichte Athletin sind das gewaltige Leistungen: „Die Flexibilität hat ihr gefehlt, die führte auch zu Verletzungen. Daran haben wir gefeilt und das hat ihr auch zum Durchbruch verholfen.“
Bei Olympia kann Hudson überraschen. „Ein paar Athletinnen haben sich schon 2019 qualifiziert, die sind vielleicht jetzt gar nicht mehr in einer Topform, in der sie waren“, sagt Eberl. Diesen Nachteil hat Haudson sicher nicht. Mit einer Weite von 62 Metern erreicht man wohl das Finale, prognostiziert ihre Trainerin. Kann Hudson in Tokio ihre Qualifikationsweite von 64,68 Metern bestätigen, ist vieles möglich. Und dann würde sie, trotz der fehlenden Fans, mit Sicherheit ebenso eine bleibende Erinnerung an die Spiele haben.