Die Wahl der Mittel
Autoritäre Regime wie jenes in Weißrussland sind keine nationale Angelegenheit, die üblen Auswüchse sind überall in der Welt spürbar. Bis hin zum Mord.
Der „Fall Skripal“markiert einen Wendepunkt. Im März 2018 wurden der frühere Doppelagent, der für den russischen Geheimdienst und den britischen MI6 gearbeitet hatte, ebenso wie seine Tochter im englischen Salisbury zum Opfer eines Giftanschlags. Beide überlebten knapp, doch spätestens seit dieser Attacke sind die Fronten klar abgesteckt; die EU, damals noch mit Großbritannien vereint, verurteilte Russland als mutmaßlichen Auftraggeber und antwortete mit Sanktionen.
Eine abschreckende Wirkung blieb aus, stattdessen wurde letzten Sommer der russische Blogger und Oppositionspolitiker Alexej Nawalny vergiftet – wieder mit dem Nervengift Nowitschok, was als bewusst gesetztes Signal an den Westen zu verstehen war.
Das autoritäre Regime in Weißrussland, das im russischen Präsidenten Putin einen mächtigen Unterstützer hat, setzt diesen Weg aufsehenerregender Angriffe fort. Die erzwungene Landung einer Ryanair-Maschine, die zwischen zwei EU-Ländern unterwegs war, um des kritischen Bloggers
Roman Protassewitsch habhaft zu werden, führte zu weltweiten Protesten und weiteren Sanktionen. Die Wirkung blieb überschaubar; ungehindert fährt Machthaber Alexander Lukaschenko mit seinem repressiven Kurs fort. Einen Tag, nachdem eine verzweifelte Olympiateilnehmerin von Tokio aus in Polen um Asyl angesucht hat, wurde nun der weißrussische Aktivist Witali Schischow erhängt aufgefunden – nicht in seinem Heimatland, sondern in Kiew. Alles deutet auf gezielten Mord hin.
Die Tentakel der diktatorischen Kraken reichen weit in westliche Demokratien hinein. Wer glaubt, es handle sich um nationale Angelegenheiten in weiter Ferne, sitzt deshalb einem folgenschweren Irrtum auf. Zum einen, weil die Beispiele zeigen, dass Terror, Gewalt und Drohungen jederzeit auch „bei uns“geschehen können und im selben Moment zum Symbol für westliche Hilflosigkeit werden; zum anderen, weil eine Diktatur so nahe an Europa ein fortwährender Störfaktor ist. Die unmittelbare Nachbarschaft zu den baltischen Staaten spielt dem Diktator in die Hand. Und er weiß das für sich zu nutzen, wie die bewusst begonnene Einschleusung von Asylsuchenden zeigt – mit Flugzeugen und Militärfahrzeugen werden Schutzsuchende an die EU-Außengrenze gebracht und damit zum politischen Spielball. ie westliche Staatengemeinschaft darf sich nicht länger aus der Verantwortung stehlen und ewig herumlamentieren. Sanktionen müssen verschärft werden, dort, wo es dem Regime wehtut. Das Überflugverbot, das Sperren von Konten und zuletzt das Einfrieren einer Drei-Milliarden-Finanzspritze sind gute Maßnahmen – der Tod des Oppositionellen verlangt aber nach noch deutlicheren Maßnahmen.
Auch kleine Länder wie Österreich, in Weißrussland wirtschaftlich stark engagiert, müssen sich noch klarer positionieren; eine Frage der Interessen und des Anstands.
D