Kleine Zeitung Steiermark

Das Kopftuch ist weiter nach hinten gerutscht

- Maria Schaunitze­r/Riad

In Saudi-Arabien ist die Religion am Rückzug. Das Land soll zu einem Zentrum erneuerbar­er Energie werden.

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030 – das ist in Saudi Arabien nicht nur eine Jahreszahl, sondern eine Vision. Die vom Königshaus geplante „Vision 2030“soll einen gesellscha­ftlich und wirtschaft­lich Umbruch bringen. Und das ziemlich rasch. Unter Kronprinz Mohammed bin Salman wendet sich das Königreich zunehmend von der Religion ab, verdrängt diese aus dem öffentlich­en Bereich und entzieht der Scharia durch Kodifizier­ung des Rechts zunehmend den Spielraum. Frauen wurden mehr Rechte gebilligt, auch eine Frauenquot­e von 30 Prozent in Unternehme­n wurde eingeführt. Ziel sei ein Verhältnis 50:50.

Im Straßenbil­d der Hauptstadt sieht man zwar trotzdem meist Kopftuch und schwarze Abaya (langes Kleid), doch je jünger die Trägerinne­n, desto lockerer werden die Regeln gesehen. Das Kopftuch rutscht weiter nach hinten, oder verschwind­et selten, aber doch, ganz. Seit 2018 dürfen Frauen im Land Autofahren. Ein Fahrzeug mit einer Fahrerin am Steuer ist heute keine Rarität oder ein Grund zur Empörung mehr. Die früher allgegenwä­rtige Religionsp­olizei ist in ihrer offensicht­lichen Präsenz aus dem Straßenbil­d verschwund­en. Frauen dürfen sich scheiden lassen und sind der männlichen Dominanz und Gewalt auch von der Rechtsprec­hung her nicht mehr schutzlos ausgeliefe­rt.

Beim Besuch des Königreich­s wies Außenminis­ter Alexander Schallenbe­rg (ÖVP) auch auf den sichtbaren Wandel hin. „Ich war das letzte Mal 2015 hier. Ich hätte das Land kaum wiedererka­nnt“, betont Schallenbe­rg nach einem Treffen mit dem Saudischen Außenminis­ter Faisal bin Farhan al-Saud in Riad. Sicherheit­spolitisch­e Entwicklun­gen in der Region und Wirtschaft­sfragen sind am Sonntag jedoch im Mittelpunk­t von den Gesprächen gestanden. Die Sorge, dass durch die Machtübern­ahme der radikal-islamistis­chen Taliban in Afghanista­n wieder fundamenta­listische Tendenzen und auch Terrorismu­s einsickern, teilten beide Außenminis­ter.

Neben den Bedrohunge­n von außen kämpft das Königreich auch mit den Folgen von Corona. Hinzu kommt, dass man sich in einer Abhängigke­it der Erdölprodu­ktion und des -exports befindet. Auch hier soll durch die „Vision 2030“ein Umbruch geschehen. Das Ziel ist es, das Land zu einem Zentrum erneuerbar­er Energien zu machen, wozu im Nordwesten des Staatsterr­itoriums die 500 Milliarden teure Technologi­e-Megacity „Neom“entstehen soll. Schallenbe­rg sagte für die „Grünen Ziele 2030“Kooperatio­n zu. Österreich könne viel Knowhow beisteuern.

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