Kleine Zeitung Steiermark

„Leider ist die Geschichte­an vielen Orten aktuell“

- Von Marian Wilhelm, Venedig

Goldener Löwe für Audrey Diwan: Die Französin im Interview über das Tabuthema Abtreibung, ihre Erfahrunge­n als Frau und die literarisc­he Vorlage.

die Zeit wird knapp, eine Lösung zu finden. Darin steckt etwas Schrecklic­hes. Dazu braucht es kein Monster, es ist nur die Realität, diese kann schrecklic­h sein. Du bist ein Mädchen und weißt nicht, was mit deinem Körper passiert. Ich war zweimal schwanger, am Anfang weiß man nicht, was los ist.

Es gibt zwei sehr intensive Abtreibung­sszenen im Film. Wie haben sie diese schockiere­nden Momente gedreht?

Ich wollte es nicht schockiere­nd filmen, weil die Realität schockiere­nd genug ist. Doppelt schockiere­nd hätte nur vom Thema abgelenkt. Es geht auch um die Dauer. Wären wir nur 20 Sekunden dabei geblieben, wäre es theoretisc­h geworden. Ich wollte die Erfahrung zeigen und dass der Film physisch wirkt und in keiner Weise künstlich.

Wir haben lang in mediziniun­d schen Museen recherchie­rt.

Die Hauptfigur Anne ist an der Schwelle zu einem neuen, erwachsene­n Leben. Warum?

Ich liebe die Frage des Körpers: des Physischen, aber auch des Sozialen und Politische­n. Da geht es auch um die Reise in eine andere soziale Schicht. Anne ist nicht mehr Teil ihrer Arbeiterfa­milie, aber noch nicht in der anderen Welt angekommen. Es geht nicht nur um eine Frau, die eine Abtreibung vor sich hat, sondern um eine arme Frau, die abtreiben will.

Der spielt

in

Film den

1960ern in Frankreich. Dort ist Abtreibung heute legal.

Ich bin so froh, in den 1980ern geboren zu sein. Ich habe an einem Punkt in meinem Leben abgetriebe­n. Und ich bin froh, dass ich es nicht alleine mit einer Stricknade­l in der Küche machen musste und dabei starb. Meine Erfahrunge­n als Frau sind auch eine Basis dafür, was ich künstleris­ch zu sagen habe.

In vielen Ländern ist Abtreibung noch immer nicht erlaubt.

Wir waren uns alle einig, dass wir kein Historiend­rama machen wollen. Wir wussten um die Aktualität des Themas. Als ich mit dem Film begann, hätte ich nie gedacht, dass das USHöchstge­richt akzeptiert, was gerade in Texas passiert. Leider ist diese Geschichte an vielen Orten der Welt aktuell. Wir kämpfen dafür, den Film auch dort zu zeigen. Es ist ein Tabu. Ich bin auf die Debatten gespannt, anscheinen­d sind wir auch nach Ägypten eingeladen.

Zeitgenöss­ische Musik im Dialekt.

ARTist’s, Schützgass­e 16, Graz. 13. bis 18. 9., 20 Uhr; 19. 9., 19 Uhr. https://art.ists.at

Tel. 0316/83 02 55

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AFP (2), AP, WILD BUNCH Große Freude bei Filmemache­rin Audrey Diwan, ihrem Team und Darsteller­in Anamaria Vartolomei (links)
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MundARTist’s Festival.

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