„Leider ist die Geschichtean vielen Orten aktuell“
Goldener Löwe für Audrey Diwan: Die Französin im Interview über das Tabuthema Abtreibung, ihre Erfahrungen als Frau und die literarische Vorlage.
die Zeit wird knapp, eine Lösung zu finden. Darin steckt etwas Schreckliches. Dazu braucht es kein Monster, es ist nur die Realität, diese kann schrecklich sein. Du bist ein Mädchen und weißt nicht, was mit deinem Körper passiert. Ich war zweimal schwanger, am Anfang weiß man nicht, was los ist.
Es gibt zwei sehr intensive Abtreibungsszenen im Film. Wie haben sie diese schockierenden Momente gedreht?
Ich wollte es nicht schockierend filmen, weil die Realität schockierend genug ist. Doppelt schockierend hätte nur vom Thema abgelenkt. Es geht auch um die Dauer. Wären wir nur 20 Sekunden dabei geblieben, wäre es theoretisch geworden. Ich wollte die Erfahrung zeigen und dass der Film physisch wirkt und in keiner Weise künstlich.
Wir haben lang in mediziniund schen Museen recherchiert.
Die Hauptfigur Anne ist an der Schwelle zu einem neuen, erwachsenen Leben. Warum?
Ich liebe die Frage des Körpers: des Physischen, aber auch des Sozialen und Politischen. Da geht es auch um die Reise in eine andere soziale Schicht. Anne ist nicht mehr Teil ihrer Arbeiterfamilie, aber noch nicht in der anderen Welt angekommen. Es geht nicht nur um eine Frau, die eine Abtreibung vor sich hat, sondern um eine arme Frau, die abtreiben will.
Der spielt
in
Film den
1960ern in Frankreich. Dort ist Abtreibung heute legal.
Ich bin so froh, in den 1980ern geboren zu sein. Ich habe an einem Punkt in meinem Leben abgetrieben. Und ich bin froh, dass ich es nicht alleine mit einer Stricknadel in der Küche machen musste und dabei starb. Meine Erfahrungen als Frau sind auch eine Basis dafür, was ich künstlerisch zu sagen habe.
In vielen Ländern ist Abtreibung noch immer nicht erlaubt.
Wir waren uns alle einig, dass wir kein Historiendrama machen wollen. Wir wussten um die Aktualität des Themas. Als ich mit dem Film begann, hätte ich nie gedacht, dass das USHöchstgericht akzeptiert, was gerade in Texas passiert. Leider ist diese Geschichte an vielen Orten der Welt aktuell. Wir kämpfen dafür, den Film auch dort zu zeigen. Es ist ein Tabu. Ich bin auf die Debatten gespannt, anscheinend sind wir auch nach Ägypten eingeladen.
Zeitgenössische Musik im Dialekt.
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