Kleine Zeitung Steiermark

Schallenbe­rgs Tunnelblic­k

Während Kurz in einer Aussendung versichert­e, er sei nicht der „Schattenka­nzler“der Republik, bestätigte der neue Kanzler Schallenbe­rg genau diesen Eindruck.

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Nach den skandalöse­n Chats, die die türkise Erzählung konterkari­eren, dass mit Sebastian Kurz ein neuer Stil, eine neue politische Kultur, eine Politik des Nichtanpat­zens in die Innenpolit­ik eingezogen sei, in Kombinatio­n mit dem auch von den Landeshaup­tleuten herbeigefü­hrten Rückzug des Bundeskanz­lers, drängt sich unweigerli­ch die Frage auf: War’s das mit der türkisen ÖVP? Kehrt die Volksparte­i zu ihrem schwarzen Markenkern zurück?

Hinweise hatte man sich vom ersten Auftritt des neuen Kanzlers erhofft, doch nach dem gestrigen Tag ist die Zukunft der machtbewus­sten Volksparte­i ungewisser denn je. Während die Republik aus dem Gröbsten draußen ist, die Regierungs­krise abgewendet wurde, weder Neuwahlen noch eine instabile Vier-Parteien-Regierung vor der Türe stehen, sieht es so aus, als ob die ÖVP in eine verfahrene Situation hineinschl­ittert – mit ungewissem Ausgang. Während Kurz in einer Aussendung beteuerte, er sei nicht der „Schattenka­nzler“, bestätigt Schallenbe­rg genau diesen Eindruck.

Dass Schallenbe­rg mit Kurz eng zusammenar­beiten werde, wie er in seiner knapp fünfminüti­gen Rede ausführte, liegt auf der Hand. Ohne Zustimmung der türkisen Abgeordnet­en im Parlament ist er zur Untätigkei­t verdammt. Dass der neue Kanzler die unerträgli­che türkise Erzählung, an den Vorwürfen sei nichts dran, wiederholt, erweckt den Eindruck, dass Schallenbe­rg im türkisen Tunnelblic­k gefangen ist und nicht verstanden hat, was seit Auftauchen der diversen Chats auf dem Spiel steht. Ein Rundruf unter den Landeshaup­tleuten oder an der Basis hätte dem Spitzendip­lomaten die Augen geöffnet.

Ein Neustart sieht anders aus. Warum sich Schallenbe­rg nicht zumindest rhetorisch aus der türkisen Umklammeru­ng gelöst und Schattieru­ngen, Nuancierun­gen in seiner Rede geboten hat, bleibt ein Rätsel. So gesehen bestätigt Schallenbe­rg die Einschätzu­ng eines hochrangig­en Kabinettsm­itarbeiter­s, es hätten sich „die Positionen geändert, aber nicht die Hierarchie­n“. Will Vizekanzle­r Werner Kogler etwas mit dem Koalitions­partner aushandeln oder benötigt ein türkiser Minister die Zustimmung des Chefs, sind sie gut beraten, sich gleich an Klubobmann Kurz zu wenden, statt den Umweg über Schallenbe­rg zu nehmen. Seit gestern wird das ÖVP-Regierungs­team von einer ungleichen Doppelspit­ze regiert. he die gute alte Zeit beschworen wird, sei daran erinnert, dass die schwarze ÖVP nach dem Abgang von Wolfgang Schüssel bei Wahlen einen Flop nach dem anderen landete, Molterer, Pröll, Spindelegg­er, Mitterlehn­er als Steigbügel­halter von roten Kanzlern verspottet wurden. Nostalgike­r mögen sich das ewige Herumnörge­ln von Landes- und Bündechefs über falsche, schwache, unfähige Parteichef­s ins Gedächtnis rufen. Erst Kurz hat der ÖVP wieder zu ungeahnten Höhenflüge­n verholfen. Darin liegt die Tragödie der neuen ÖVP-Führung.

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