Eine Trödel-Show zum Festivalfinale
„Bares für Wahres“des Theaters im Bahnhof ist eine kluge Irreführung.
Seit jeher steht der steirische herbst im Widerspruch zur Jahreszeit, nach der er benannt ist. Aufbruch und Avantgarde gegen Einkehr und Entschleunigung. Wie geht das zusammen? Mit seiner Gala hat das Theater im Bahnhof einen Weg definiert, die Diskrepanz aufzulösen: Die semidigitale Realityshow „Bares für Wahres“(Regie: Ed. Hauswirth, Monika Klengel) entwarf ein beschaulich humorvolles Vorabend-Szenario, in dem warme Farben, Sentiment und radikale Langsamkeit regierten.
Softcore sozusagen.
Dazu wurde die Grazer List-Halle zum Flohmarkt gemacht und dieser zum Setting eines Unterhaltungsformats, das sich ausdrücklich auf die Show „Bares für Rares“bezog. Mit dem Unterschied, dass Moderator Rupert Lehofer den wahren, sprich: emotionalen Wert der Gegenstände verhandelte.
Da sind die Deutschlehrbücher einer Staatsbürgerschaftsanwärterin, dort ist das Flohmarktbildchen, das abgetreten werden soll (aber nicht will), weil es an eine offensichtlich unglückliche Liebe erinnert. Das latent nostalgische Prinzip, dass Dinge Geschichten erzählen, wird virtuos variiert – und konterkariert: Von West nach Ost (und wieder retour) geleitet, offenbart der Güter-Fluss am Nachnutzungsmarkt soziales Gefälle.
Der dokumentarische Ausflug zu einem ungarischen Umschlagplatz für das Überleben aus zweiter Hand bringt neben dem ideellen den Gebrauchswert der Dinge ins Spiel. Und Juliette Eröd erzählt die Geschichte ihrer Familie: In einer Aufstellung aus kostenfrei online erworbenen Gegenständen erinnert sie an Menschen, die – verfolgt oder ermordet durch das NSRegime – wohl kaum die Möglichkeit hatten, ihre Lebenserzählung durch Erinnerungsstücke zu vererben. Am Ende hält der Abend weit abseits der Wohlfühlzone.