Gesichtswahrung
Genesen, geimpft oder getestet – die 3-G-Regel am Arbeitsplatz kommt mithilfe der SPÖ doch. Das Jammerbild, das die Regierung in der Corona-Bekämpfung abgibt, bleibt.
Wie konnte es zu so einer peinlichen Situation kommen? Die Regierung erwägt, mit schwer erklärbarer Verspätung, doch noch die lange versprochene 3-G-Regel für Unternehmen und Wintersportorte einführen zu wollen. Weil das Gesetz so eine Maßnahme derzeit aber nicht vorsieht, muss es zuvor geändert werden, wofür der Koalition im Bundesrat jedoch eine Mehrheit fehlt. Ohne Mithilfe zumindest einer Oppositionspartei müsste die Novelle acht Wochen lang abliegen, ehe die Regierung im Nationalrat einen Beharrungsbeschluss fassen könnte. Bis dahin wäre die Wintersaison schon sehr weit fortgeschritten – ohne die einheitliche Regelung, die Unternehmen und ihrem Personal das Leben deutlich erleichtern würde.
Die Rettung im letzten Moment kam von der SPÖ. Im Gegengeschäft für die Garantie, Tests in Firmen auch weiter gratis anzubieten, werden die Sozialdemokraten morgen im Bundesrat zustimmen. Alles andere wäre auch schwer argumentierbar gewesen. Die SPÖ, die Corona stets ernstgenommen hat, ernster als derzeit die
Regierung die Seuche zu beurteilen scheint, hat schon Mitte August die Forderung ausgesandt: „Mit 3G am Arbeitsplatz vier Millionen Beschäftigte schützen.“Da wäre es kaum verständlich, der zögerlichen Regierung eine weitere Verlangsamung des Corona-Managements aufzuzwingen. Eine gesichtswahrende Operation für beide Seiten.
Die Panne wirft ein grelles Schlaglicht auf die trübe Corona-Situation im Land. Mit rund 62 Prozent Durchgeimpften dümpeln wir im hinteren Bereich der reicheren Länder herum. Aufzuregen scheint das niemanden. Anders ist es nicht erklärbar, dass nicht intensiv um Zweifler und Zögerliche geworben wird. Anders ist das Zaudern bei der Einführung genereller 3-G-Regeln nicht zu verstehen, die vielleicht den einen oder anderen Unentschlossenen doch noch dazu bringen könnte, den Schritt in eine Impfstraße zu wagen. „Schikanieren“nennt das der freiheitliche Parteichef und Staatsmann Herbert Kickl.
Von der angeschlagenen Koalition darf sich die ermattete Bevölkerung erwarten, dass sie die Regierungsumbildung dazu nützt, die Großbaustelle CovidBekämpfung neu zu organisieren; dass sie endlich eine kompetent ausgestattete Juristentruppe ins Gesundheitsministerium schickt; dass die Koalition nach Wochen der Schuldzuweisungen wieder zum Schulterschluss der ersten Coronazeit zurückfindet; dass man wieder gemeinsam kommuniziert, gerne auch öfter. Es muss ja nicht im Stakkato sein wie unter Minister Rudolf Anschober. ndernfalls werden wir Covid noch lange mit uns herumschleppen, mit allen lästigen und gefährlichen Nebenwirkungen: Unmut der Bevölkerung, hohe Kosten, Schäden an der Wirtschaft, Behinderung des Tourismus, ganz zu schweigen von der Beeinträchtigung der Gesundheit vieler Menschen. Die Pandemie ist nicht vorbei. Nicht davon zu reden, ändert daran nichts.
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