Ein letzter Zeuge
Das Konzil als Richtmarke: zum 90. Geburtstag von Bischof Helmut Krätzl.
Das schaffen nur wenige: 90 und noch immer Optimist. Helmut Krätzl gelingt das. Heute feiert er seinen 90. Geburtstag. Fast 30 Jahre hat er an der Seite von Kardinal Franz König gewirkt: als Weihbischof, Ordinariatskanzler und Generalvikar. Vorher war er fünf Jahre Pfarrer in Laa an der Thaya. Und in der letzten Phase des Zweiten Vatikanischen Konzils wirkte er als Stenograf an der Protokollierung von Konzilstexten mit. Das war 1964. Da hatte Helmut Krätzl eben sein Studium des Kirchenrechts an der Päpstlichen Universität Gregoriana abgeschlossen. Und in der kurzen Zeit seiner direkten Erfahrungen mit dem Konzil hat er offensichtlich die OptimismusEnergien für die nächsten fünf Jahrzehnte getankt.
Als Franz König 1985 zurücktrat, wurde nicht Helmut Krätzl sein Nachfolger als Erzbischof, sondern Hans Hermann Groër. Eine verhängnisvolle, lang nachwirkende Fehlentscheidung, die er aber nicht als persönliche Kränkung empfand. In einem „Furche“-Interview bekannte der 80-Jährige vor 10 Jahren: „Ich habe mich vor der Nachfolge gefürchtet, weil mir die Schuhe viel zu groß waren … Es hat mich für die Kirche und für Kardinal König gekränkt, dass Groër Erzbischof geworden ist.“
Seine schwerwiegenden Bedenken schrieb er damals auch dem Papst. Monate später ließ ihm Johannes Paul II. über den Kardinal-Staatssekretär mitteilen, dass der Heilige Vater „von Ihren Ausführungen aufmerksam Kenntnis genommen“habe. Er gedenke der Anliegen „gern in seinem Gebet“…
In seinem Buch „Im Sprung gehemmt“von 1998 erörtert er nicht nur die Fortschritte, die das Konzil gebracht hatte, sondern widmet ein Kapitel auch der Besorgnis über die Entwicklung der Kirche nach der Fortschrittseuphorie. Untertitel: „Was mir nach dem Konzil noch alles fehlt“. Was dem Weihbischof fehlte, war der Glaubenskongregation zu viel: Er wurde nach Rom zitiert. Allein die Tatsache der Vorladung empfand der damals 72-Jährige als Demütigung. Das Gespräch mit Kardinal Joseph Ratzinger verlief aber dann recht freundlich und das befürchtete Schreibverbot blieb aus. Er kam mit dem leicht tadelnden Hinweis davon, doch „etwas anderes“zu schreiben.
Dieser Tätigkeit gab sich Helmut Krätzl dann so ausgiebig hin, dass aus der Fülle der Publikationen ein wichtiger Beitrag zur jüngeren Geschichte der katholischen Kirche in Österreich geworden ist. Zwei Titel als Beispiele: „Eine Kirche, die Zukunft hat“und „Mein Leben für eine Kirche, die den Menschen dient“.
Und weil Helmut Krätzl ein leidenschaftlicher Seelsorger geblieben ist, verstößt er ab und zu gegen das Gebot, „etwas anderes“zu schreiben. In dem Buch „Brot des Lebens“erlaubt er sich zum Beispiel angesichts des Priestermangels die Frage, ob die Betonung der Ehelosigkeit für Priester wirklich wichtiger ist als die Eucharistie.