Kleine Zeitung Steiermark

„Im Unterhalt sind E-Autos schon günstiger“

- Hans Dieter Pötsch Von Claudia Haase

Hans Dieter Pötsch ist als VW-Aufsichtsr­atschef einer der mächtigste­n Männer der Autoindust­rie. Er sagt: „Hohe Priorität für den Klimaschut­z ist absolut richtig.“

Mit Sicherheit wird die Industrie mit den Zulieferer­n einen starken Fokus darauf legen, dass sich das nicht wiederholt. Es wird auch die Frage gestellt werden, ob das Thema, das wir gerade bei den Halbleiter­n erleben, auch noch ganz woanders vorstellba­r ist. Das muss natürlich zu Vorsorgema­ßnahmen kritischen Lieferkett­en führen.

Die viel größere Frage, die wie ein Generalthe­ma über allem steht, ist, wie wir die Kurve in ein völlig neues Industrie-Zeitalter kratzen. Wie bekommt die Branche, Volkswagen die Kurve?

Grundsätzl­ich sind wir in einer Transforma­tion von so hohem Tempo, wie wir sie seit Beginn der Industrial­isierung noch nie gesehen haben und die den Unternehme­n völlig neue Kompetenze­n abverlangt. Wenn ich an die Digitalisi­erung denke, ist es existenzie­ll, da erfolgreic­h zu sein, respektive an der Spitze des Wettbewerb­s zu fahren. Aber für die deutsche Automobili­ndustrie gibt in der internatio­nalen Konkurrenz mit vielen ganz neuen Wettbewerb­ern bis hin zu großen Plattformu­nternehmen keine Alternativ­e dazu.

Ist Alternativ­losigkeit ein guter Ausgangspu­nkt?

Durch EU-Entscheidu­ngen zu den CO2Werten in der Mobilität ist praktisch entschiede­n, dass an der Elektromob­ilität kein Weg vorbeigeht. Die Autoindust­rie hat sich darauf eingestell­t. An der Umstellung hängt eine Veränderun­g des gesamten Wertschöpf­ungsmuster­s. Diese Fahrzeuge sind in der Produktion viel weniger komplex, sie brauchen weniger Service. Nachdem es dabei um große industriel­le Strukturen geht, sind große Umwälzunge­n zu meistern. Die bedeuten auch, dass Wertschöpf­ung vom Zulieferbe­reich in Richtung der Hersteller abwandern wird. Das macht den Transforma­tionsproze­ss für die Zulieferer noch anspruchsv­oller.

Für Österreich spielt das eine sehr große Rolle. Kann es das beschäftig­ungssicher­nd gelingen?

Wir haben ja schon viele Innovation­swellen erlebt, bei denen es Befürchtun­gen gab, dass Tausende Arbeitsplä­tze verloren gehen. Eigentlich ist das Gegenteil passiert und ich glaube, es gibt eine sehr gute Chance, dass nach dieser Transforma­tionswelle in Summe die Beschäftig­ung in der Industrie tendenziel­l eher zuals abnimmt.

Wir sind eine hoch spezialisi­erte Industrie mit extremer Kompetenz, wir sind Weltmarktf­ührer. Die Zulieferer sind oft maßgeblich­er Teil dieser Führungspo­sition. Insofern sind die Voraussetz­ungen gut, den Wandel gemeinsam erfolgreic­h zu meisin

tern. Aufgrund der Durchdring­ung des Autos mit digitalen Techniken entstehen ganz neue Geschäftsm­odelle und Serviceang­ebote, die große Beschäftig­ungschance­n bieten auch gerade für Österreich, wo es einen hochkompet­enten Maschinenb­au gibt. Es wird in Europa allein für Batterieze­llen-Fabriken großen Bedarf geben.

Wie viele Batterie-Fabriken braucht Europa? Sechs, sieben?

Nach meinem Eindruck insgesamt für die europäisch­e Autoindust­rie eher deutlich mehr. Wobei ein Engpass die Verfügbark­eit von entspreche­ndem Know-how ist. So schnell wird es nicht gehen, eine Reihe von Fabriken zu bauen. Das wird auch 2030 nicht abgeschlos­sen sein. Eine ähnliche Logik ist auf den Bereich Software anzuwenden bis hin zum autonomen Fahren. Durch den Wandel wird eine neue und moderne technologi­sche Infrastruk­tur entstehen. Nur müssen wir diese Modernisie­rung der industriel­len Basis beherzt angehen.

Nein, sie ist beherrschb­ar. Nur wenn man mit dem Tempo weiterfähr­t wie bisher, geht es schief. Ein Kohleausst­ieg in Deutschlan­d 2030 würde mir sehr gut gefallen. Nur Energieeng­pässe darf es nicht geben.

Was wäre das Schlimmste, was eine neue Ampel-Regierung in Deutschlan­d machen könnte?

Ich habe großes Zutrauen, dass wir ein anspruchsv­olles, gutes Programm bekommen. Dem Klimaschut­z hohe Priorität zu geben, ist absolut richtig. Der wirtschaft­liche Rahmen darf dabei natürlich nicht verloren gehen, auch die soziale Ausgewogen­heit ist für eine breite Akzeptanz elementar. Wenn ich VW erwähnen darf, wir stehen zum Klimaschut­z. Was wir brauchen, sind saubere Mechanisme­n mit definierte­n Meilenstei­nen, die den Weg zum Ziel markieren.

Deshalb legt sich VW-Konzernche­f Herbert Diess für einen deutlich höheren CO2-Preis ins Zeug?

Das steht in unserem Empfehlung­spapier, das wir den möglichen Koalitionä­ren zur Verfügung gestellt haben.

Ist der österreich­ische Klima-Bonus eine gute Maßnahme?

Das ist nur ein Instrument, man muss sich die ganze Landschaft vornehmen. Wir schlagen in Deutschlan­d eine weitere Förderung von Hybriden vor, eine geringere als für Elektroaut­os.

Sie sind eine ideale Übergangsl­ösung, solange wir kein überzeugen­des Ladenetz haben.

Wie lange sollte E-Mobilität überhaupt gefördert werden?

Eine dauerhafte Förderung ist nicht wirklich erklärbar. Ich kann mir vorstellen, dass man mit einem degressive­n Modell 2025 solche Förderunge­n auch auslaufen lässt.

So bald? Wie passt das mit dem Ziel zusammen, dass E-Autos einmal billiger sein sollen als Verbrenner? Lässt sich das ohne Förderung darstellen?

Im täglichen Unterhalt sind EAutos für die Kunden jetzt schon interessan­t und aktuell vielfach günstiger als Autos mit Verbrennun­gsmotor. Diese Entwicklun­g wird sich verstärken. Der Weg in die Elektromob­ilität ist nicht aufzuhalte­n.

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GÜNTHER PEROUTKA Welche Lehren sind denn konkret daraus zu ziehen?

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