„Im Unterhalt sind E-Autos schon günstiger“
Hans Dieter Pötsch ist als VW-Aufsichtsratschef einer der mächtigsten Männer der Autoindustrie. Er sagt: „Hohe Priorität für den Klimaschutz ist absolut richtig.“
Mit Sicherheit wird die Industrie mit den Zulieferern einen starken Fokus darauf legen, dass sich das nicht wiederholt. Es wird auch die Frage gestellt werden, ob das Thema, das wir gerade bei den Halbleitern erleben, auch noch ganz woanders vorstellbar ist. Das muss natürlich zu Vorsorgemaßnahmen kritischen Lieferketten führen.
Die viel größere Frage, die wie ein Generalthema über allem steht, ist, wie wir die Kurve in ein völlig neues Industrie-Zeitalter kratzen. Wie bekommt die Branche, Volkswagen die Kurve?
Grundsätzlich sind wir in einer Transformation von so hohem Tempo, wie wir sie seit Beginn der Industrialisierung noch nie gesehen haben und die den Unternehmen völlig neue Kompetenzen abverlangt. Wenn ich an die Digitalisierung denke, ist es existenziell, da erfolgreich zu sein, respektive an der Spitze des Wettbewerbs zu fahren. Aber für die deutsche Automobilindustrie gibt in der internationalen Konkurrenz mit vielen ganz neuen Wettbewerbern bis hin zu großen Plattformunternehmen keine Alternative dazu.
Ist Alternativlosigkeit ein guter Ausgangspunkt?
Durch EU-Entscheidungen zu den CO2Werten in der Mobilität ist praktisch entschieden, dass an der Elektromobilität kein Weg vorbeigeht. Die Autoindustrie hat sich darauf eingestellt. An der Umstellung hängt eine Veränderung des gesamten Wertschöpfungsmusters. Diese Fahrzeuge sind in der Produktion viel weniger komplex, sie brauchen weniger Service. Nachdem es dabei um große industrielle Strukturen geht, sind große Umwälzungen zu meistern. Die bedeuten auch, dass Wertschöpfung vom Zulieferbereich in Richtung der Hersteller abwandern wird. Das macht den Transformationsprozess für die Zulieferer noch anspruchsvoller.
Für Österreich spielt das eine sehr große Rolle. Kann es das beschäftigungssichernd gelingen?
Wir haben ja schon viele Innovationswellen erlebt, bei denen es Befürchtungen gab, dass Tausende Arbeitsplätze verloren gehen. Eigentlich ist das Gegenteil passiert und ich glaube, es gibt eine sehr gute Chance, dass nach dieser Transformationswelle in Summe die Beschäftigung in der Industrie tendenziell eher zuals abnimmt.
Wir sind eine hoch spezialisierte Industrie mit extremer Kompetenz, wir sind Weltmarktführer. Die Zulieferer sind oft maßgeblicher Teil dieser Führungsposition. Insofern sind die Voraussetzungen gut, den Wandel gemeinsam erfolgreich zu meisin
tern. Aufgrund der Durchdringung des Autos mit digitalen Techniken entstehen ganz neue Geschäftsmodelle und Serviceangebote, die große Beschäftigungschancen bieten auch gerade für Österreich, wo es einen hochkompetenten Maschinenbau gibt. Es wird in Europa allein für Batteriezellen-Fabriken großen Bedarf geben.
Wie viele Batterie-Fabriken braucht Europa? Sechs, sieben?
Nach meinem Eindruck insgesamt für die europäische Autoindustrie eher deutlich mehr. Wobei ein Engpass die Verfügbarkeit von entsprechendem Know-how ist. So schnell wird es nicht gehen, eine Reihe von Fabriken zu bauen. Das wird auch 2030 nicht abgeschlossen sein. Eine ähnliche Logik ist auf den Bereich Software anzuwenden bis hin zum autonomen Fahren. Durch den Wandel wird eine neue und moderne technologische Infrastruktur entstehen. Nur müssen wir diese Modernisierung der industriellen Basis beherzt angehen.
Nein, sie ist beherrschbar. Nur wenn man mit dem Tempo weiterfährt wie bisher, geht es schief. Ein Kohleausstieg in Deutschland 2030 würde mir sehr gut gefallen. Nur Energieengpässe darf es nicht geben.
Was wäre das Schlimmste, was eine neue Ampel-Regierung in Deutschland machen könnte?
Ich habe großes Zutrauen, dass wir ein anspruchsvolles, gutes Programm bekommen. Dem Klimaschutz hohe Priorität zu geben, ist absolut richtig. Der wirtschaftliche Rahmen darf dabei natürlich nicht verloren gehen, auch die soziale Ausgewogenheit ist für eine breite Akzeptanz elementar. Wenn ich VW erwähnen darf, wir stehen zum Klimaschutz. Was wir brauchen, sind saubere Mechanismen mit definierten Meilensteinen, die den Weg zum Ziel markieren.
Deshalb legt sich VW-Konzernchef Herbert Diess für einen deutlich höheren CO2-Preis ins Zeug?
Das steht in unserem Empfehlungspapier, das wir den möglichen Koalitionären zur Verfügung gestellt haben.
Ist der österreichische Klima-Bonus eine gute Maßnahme?
Das ist nur ein Instrument, man muss sich die ganze Landschaft vornehmen. Wir schlagen in Deutschland eine weitere Förderung von Hybriden vor, eine geringere als für Elektroautos.
Sie sind eine ideale Übergangslösung, solange wir kein überzeugendes Ladenetz haben.
Wie lange sollte E-Mobilität überhaupt gefördert werden?
Eine dauerhafte Förderung ist nicht wirklich erklärbar. Ich kann mir vorstellen, dass man mit einem degressiven Modell 2025 solche Förderungen auch auslaufen lässt.
So bald? Wie passt das mit dem Ziel zusammen, dass E-Autos einmal billiger sein sollen als Verbrenner? Lässt sich das ohne Förderung darstellen?
Im täglichen Unterhalt sind EAutos für die Kunden jetzt schon interessant und aktuell vielfach günstiger als Autos mit Verbrennungsmotor. Diese Entwicklung wird sich verstärken. Der Weg in die Elektromobilität ist nicht aufzuhalten.