Startschuss in die Virensaison
Früher als sonst breiten sich die saisonalen Viren aus. Wie unser Immunsystem nach eineinhalb Jahren Pandemie darauf reagiert.
nen sportlichen Vergleich. „Stellen Sie sich vor, Sie sind Läufer: Sie trainieren regelmäßig, um ihre Ausdauer und Fitness zu erhalten. Trainieren Sie aber ein Jahr lang nicht, werden Sie auch leistungstechnisch abfallen.“Und wie ein Sportler muss auch das Immunsystem trainieren. Das passiert durch Kontakt mit Viren – Tag für Tag. So bleibt die Immunabwehr beweglich und kann rasch auf Eindringlinge reagieren. „Während einer Influenza-Saison kommen zahlreiche Menschen mit dem Virus in Kontakt, ohne Symptome zu entwickeln“, erläutert Redlberger-Fritz. Dieses Update wird als „stille Feiung“bezeichnet – und ist 2020/21 ausgeblieben.
Das muss nicht notwendigerweise heißen, dass sich im Winter 2021/22 nun in eine massive Grippewelle vor uns aufbauen wird, doch die Möglichkeit ist, dass nach dieser „Trainingspause“mehr Menschen schwerer an der Grippe erkranken. Vor allem die letzten beiden Geburtenjahrgänge sind immunologisch naiv, hatten kaum Kontakt zu saisonalen Viren. Erstinfektionen können kritisch werden, da viele Viren über einen längeren Zeitraum ausgeschieden werden, als bei nachfolgenden Infektionen.
Um das untrainierte Immunsystem zu unterstützen, raten Redlberger-Fritz wie auch Stradner zur Grippe-Impfung (siehe Infobox). Und zwar ab Ende Oktober, Anfang November, weil der Höhepunkt einer Grippesaison im Normalfall in den ersten Wochen des neuen Jahres liegt. Angezeigt sei die Impfung für alle Menschen, besonders aber für ältere sowie immungeschwächte Personen bzw. für solche, die mit Risikopatienten in Kontakt stehen.
Wie stark die kommende Grippesaison ausfallen wird, wird sich erst zeigen. Was sich aber jetzt schon abzeichnet, ist, dass andere saisonale Viren einen Frühstart hingelegt haben. Etwa die Rhinoviren, von denen es über 100 verschiedene Arten gibt, die hauptsächlich Schnupfen und Erkältungen hervorrufen. Übertragen werden sie durch Tröpfchen-, aber auch über Schmierinfektion, hier hat also auch das Maskentragen einen geringeren Effekt.
Zehn bis zwölf Wochen früher als normal macht sich das Respiratorische Synzytial Virus (RSV) bemerkbar. „Wir haben jetzt schon so viele Fälle wie sonst in einer gesamten Saison“, schildert RedlbergerFritz. Dieses verursacht Entzündungen der oberen, aber auch der tieferen Atemwege. Setzt sich die Infektion in den Bronchiolen fest, kann es – vor allem bei Kleinkindern – zu Problemen mit der Sauerstoffversorgung kommen. Zahlreiche Kinder müssen mit einer RSVInfektion aktuell auch im Krankenhaus behandelt werden. Eine Impfung gibt es in diesem Fall nicht, behandelt wird symptomatisch. Es bleibt also abzuwarten, welche Viren in dieser Saison die Oberhand behalten werden.
Immunologe Martin Stradner