Balladen in Pastell
Auf „Blue Banisters“gewährt Pop-Poetin Lana Del Rey Einblicke in ihr Privatleben.
Im Wesentlichen haben sich in der Pandemie zwei Routen herauskristallisiert, auf denen sich Musikerinnen und Musiker vorantasten. Die einen setzen auf eiserner Extrovertiertheit und gnadenlosen Eskapismus. Die anderen nutzen die ungewohnte Zeit, um zu schauen, wer sie sind. Lana Del Rey zählt zu zweiterer Kategorie. Sie setzte sich mit der Familie, den Eltern, der Kindheit und dem Menschsein auseinander.
Wäre die 36-Jährige eine deutsche Künstlerin, würde die Plattenfirma „Blue Banisters“, ihr zweites Album in diesem Jahr nach „Chemtrails Over the Country Club“, als „ihr „bisher persönlichstes Werk“loben. Aber del Rey, bürgerlich Elizabeth Grant, 1985 in New York geboren mit heutigem Wohnsitz Los Angeles, ist USAmerikanerin durch und durch, und sie lebt ihre Herkunft auf „Blue Banisters“auch aus. So entführt sie in „Arcadia“in ein zerkrümelndes, wankendes aber am Ende sich trotzig behauptendes Land, das sinnbildlich für ihre Gesamtverfassung steht. „I’m a lost little girl“, singt sie, wirklich sehr zart, verletzlich und nur vom Piano untermalt, während sie den eigenen Körper als „Stadtplan von L. A.“bezeichnet.
Ihre Lieder sind zumeist semirealistische Sitten- und Lebensgemälde in Pastellfarben, die Erinnerungen verschwimmen ihrerseits oft im Nebel, sie liebt die Anspielung und das Ungefähre. Es ist halt Kunst, und dennoch wird der Musikerin seit ihrem Durchbruch mit der Sepia-Single „Video Games“vor zehn Jahren häufig vorgeworfen, nicht authentisch zu sein.
Auch die romantische Liebe hat ihren Platz: „If You Lie Down with Me“schildert eine klassische Verführungsszene, doch in „Violets For Roses“ist die Liebe schon wieder passé wie im echten Leben – der Musiker Clayton Johnson war im Frühjahr noch der Verlobte, jetzt ist er ein weiterer Ex, über den man trotzige Lieder schreibt.