Zuerst beklatscht, danach vergessen
Autorin Luna Al-Mousli hat Menschen in systemerhaltenden Berufen porträtiert.
Und plötzlich waren sie „systemrelevant“: Kindergartenpädagoginnen, Postboten, Pflegerinnen, Sanitäter, Supermarktkassiererinnen, Krankenhauspersonal und viele mehr. In Lockdown Nummer eins öffneten die Menschen auch hierzulande ihre Fenster, traten auf ihre Balkone und beklatschten jene, die in sogenannten systemerhaltenden Berufen arbeiten und in der Pandemie besonders gefordert waren. Rund eine Million Menschen zählen in Österreich zu dieser Gruppe, 65 Prozent davon sind Frauen, das Gros hat migrantischen Hintergrund.
Ruhm und Anerkennung hielten nicht lange an. Autorin Luna AlMousli und Illustratorin Clara Berlinski porträtieren in ihrem hübschen Buch „Klatschen reicht nicht!“jene, die als Heldinnen und Helden in Zeiten von Corona gefeiert wurden. Die Gespräche gewähren einen Einblick in ihren Joballtag – mitsamt fehlender Anerkennung, schlechter Bezahlung, Angst vor Armutsgefährdung im Alter und überschrittener Belastungsgrenzen.
Sesilia (28) arbeitet als Kindergartenpädagogin in Wien-Simmering. Statt zu dritt sind sie nun zu zweit für 21 Kinder zuständig: Es mangelt an Personal. „Wir brauchen jemanden, der sich für uns einsetzt, der im Interesse der Kinder, Familien sowie Pädagoginnen und Pädagogen handelt“, betont sie. Und: Ihr Beruf müsse endlich aufgewertet werden. „Ich habe mich gefreut, als die Leute für uns geklatscht haben, aber ich hoffe, sie vergessen nach der Pandemie nicht auf uns“, bringt es Krankenschwester Lisa (46) auf den Punkt. Denn: Es brauche „Entlastung und mehr Personal“. Für einige Branchen hat sich die Auftragslage seit dem Vorjahr erhöht. „Viele behandeln uns nicht gut, sehen unsere Arbeit als minderwertig an“, sagt Fahrradbote und Essenszusteller Ali (25). Der seit Anfang 2020 gültige Kollektivvertrag in seiner Branche helfe den zumeist Selbstständigen nicht.
Berührende Begegnungen, Zahlen und Grafiken und diverse Gastbeiträge von Expertinnen und Experten unterstreichen den Titel des Buches: Klatschen reicht nicht!
Luna Al-Mousli: Klatschen reicht nicht! Systemerhalter*innen im Porträt. Leykam, 176 Seiten, 22 Euro.