Kleine Zeitung Steiermark

Warnung an „Beton-Siegi“kam zu spät

- Hermann Schützenhö­fer Von Ernst Sittinger Stingl Christoph Grabenwart­er Mario Eustacchio

In Graz läuft es auf eine Stadtregie­rung ohne die ÖVP hinaus. Das war schon seit der Wahl vor fast einem Monat klar. Mit Beginn der Koalitions­verhandlun­gen zwischen KPÖ, Grünen und SPÖ wird es jetzt aber sozusagen offiziell. In der Landespoli­tik bringt das eine atmosphäri­sche Störung der Koalition aus ÖVP und SPÖ mit sich. Man nimmt das aber mit leisem Groll in Kauf, zumal es niemand verhindern kann.

Der scheidende ÖVP-Langzeitbü­rgermeiste­r Siegfried Nagl reagiert wortkarg und scheu: Für Interviews steht er nicht zur Verfügung, das Telefon hebt er nicht ab, Termine besucht er nur mehr spärlich. „Aber er ist noch Bürgermeis­ter“, betont man in seinem Büro. Die Ablöse erfolgt ja erst am 17. November mit Angelobung der Nachfolger­egierung im Rathaus.

Einer seiner nun raren Auftritte erfolgte Freitagabe­nd im Grazer Burghof, wo er mit Landeshaup­tmann der Flaggenpar­ade der steirische­n Einsatzorg­anisatione­n beiwohnte. Die zwei haben sich über die Jahre zusammenge­rauft, ein enges Vertrauens­verhältnis bestand nie. Spekulatio­nen, Nagl könnte in die Landespoli­tik wechseln, hatten sich schon vor der Wahlnieder­lage erübrigt. Dem Vernehmen nach warnte Schützenhö­fer Nagl wegen dessen Spitznamen „Beton-Siegi“: Er solle doch besser öffentlich auf diese Kritik antworten. Ein Rat, dem der Grazer nicht folgte.

Vertraute berichten, dass

Nagl geknickt und gekränkt sei

E und mit seiner Abwahl hadere. in Projekt, das Nagl nicht Bei der Flaggenpar­ade sprach mehr umsetzen konnte, ist er vom „Erstarken der politische­n die von ihm geplante Reform Ränder an verschiede­nen der Wahlen zum Migrantinn­enbeirat Orten der Welt“und wertete der Stadt Graz. Wie unbefriedi­gend das als gefährlich­es Zeichen für die Lage dort ist, zeigen das „Verdunsten der Bindekräft­e“ernüchtern­de Zahlen: Von in der Gesellscha­ft. Für ihn fast 30.000 wahlberech­tigten selbst seien diese Wochen „die Migranten gaben nur 1317 ihre Zeit des Loslassens“. Stimme ab, was 4,45 Prozent

Dazu kommt, dass der 58-Jährige Wahlbeteil­igung ergibt. Und beruflich in der Luft hängt: das bei Kosten für den Wahlvorgan­g Politikerp­ensionen gibt es nicht von mehr als 40.000 Euro. mehr, das familiäre Geschirrge­schäft Dabei war diese Beteiligun­g in der Grazer City führt fast noch üppig, wenn man etwa die Tochter. Da haben es die karenziert­en die letzten Wahlen zu diesen Beamten mit Rückkehrre­cht Beiräten in Leoben und Kapfenberg in der Stadtpolit­ik im Sommer 2020 betrachtet. leichter. Nächste Woche folgt In Leoben wurden bei 1790 dann der vorletzte Medienauft­ritt Wahlberech­tigten nur 100 Stimmen Nagls: Am Donnerstag tritt abgegeben, in Kapfenberg er mit Amtsvorgän­ger waren es bei 1218 Wahlberech­tigten und VfGH-Präsident exakt fünf Stimmen.

vor Wahlbeteil­igung: 0,4 Prozent. die Kameras. Es geht um Für diese fünf Stimmen gab es Publicity für eine Wanderauss­tellung fünf Mandate für die einzig antretende zum Thema „Internatio­nale Liste Bundesverf­assung Kapfenberg“. und Menschenre­chte. Gewählt werden müssen solche Nagl löst Beiräte laut Gemeindewa­hlordnung damit ein Verspreche­n in allen Städten an mit mehr als 1000 Migranten Stingl ein. „zur Wahrung ihrer Interessen“.

Nagl wollte die Wahlen, die wegen Desinteres­ses kaum demokratis­che Legitimati­on erzeugen, durch Entsendung­en aus allen relevanten Verbänden ersetzen. Keinen Reformbeda­rf sieht hingegen der Leobner Bürgermeis­ter Kurt Wallner (SPÖ). Er sagt: „Die Sehnsucht nach Mitwirkung ist nicht groß. Trotzdem soll die Möglichkei­t dazu bestehen bleiben.“In seiner Stadtverwa­ltung gebe es eine beamtete Anlaufstel­le für Migranten – diese werde viel besser angenommen.

Die Landes-FPÖ greift das Thema jetzt auf: Sie wird im Landtag einen Antrag auf „ersatzlose Streichung“der Migrantinn­enbeiräte stellen. Begründung von Klubchef Mario Kunasek: „Die Wahlbeteil­igung zeigt eindeutig, wie wenig Interesse und Akzeptanz diese Beiräte genießen.“Aus freiheitli­cher Sicht „braucht es diese Gremien ohnehin überhaupt nicht, ihre Aufrechter­haltung wäre absolut sinnlos“. Und der Grazer FPÖ-Chef glaubt, dass der Migrantenb­eirat nicht zur Integratio­n beitrage, sondern Parallelge­sellschaft­en repräsenti­ere.

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LAND STMK Schützenhö­fer und Nagl bei Flaggenpar­ade: „Die Zeit des Loslassens“
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J. FUCHS Mario Kunasek will Beiräte streichen Alfred
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