Kleine Zeitung Steiermark

Er rettete die Kinder aus der Hölle von Buchenwald

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Sein Widerstand gegen das Naziregime brachte Franz Leitner ins KZ. Dort half er, vielen Kindern zu überleben. Graz erinnert nun an ihn.

Wer ein Menschenle­ben rettet, rettet die ganze Welt“, lautet ein altes hebräische­s Sprichwort. Franz Leitner bewahrte im Konzentrat­ionslager Buchenwald unter Einsatz seines eigenen Lebens viele Kinder vor dem sicheren Tod. Die Jüdische Gemeinde Graz hat in Erinnerung an ihn diese Woche eine Gedenktafe­l an seiner ehemaligen Wohnadress­e – der Grazer Lagergasse Nr. 29 – angebracht.

Heimo Halbrainer, Historiker und Obmann des steirische­n KZ-Verbands, arbeitet derzeit an einem Buch über Leitner. Über die Lebensgesc­hichte des Retters weiß er Folgendes zu berichten: Franz Leitner wurde am 12. Februar 1918 in Wiener Neustadt als Sohn eines Drehers geboren. Schon in jungen Jahren kam er zur kommunisti­schen Bewegung. Wegen öffentlich­er Aktionen wie dem Verteilen roter Nelken und Flugblätte­rn gegen die Schuschnig­g-Regierung wurde er 1936 festgenomm­en und blieb bis Anfang 1938 in Haft.

Kaum freigelass­en, rief er gemeinsam mit seinen Mitstreite­rn zum Kampf gegen das drohende NS-Regime auf. Nach dem „Anschluss“von Österreich an Nazideutsc­hland forderte ihn seine eigene Partei dazu auf, sich sicherheit­shalber aus der politische­n Arbeit zurückzuzi­ehen. Leitner verließ seine Heimatstad­t, arbeitete kurz als Konstrukte­ur in Bremen, kam aber bereits ein Jahr später wieder zurück. Im September 1939 wurde der damals 21-jährige erneut verhaftet und ins Konzentrat­ionslager Buchenwald gebracht. Rund 239.000 Menschen erlebten dort die Hölle auf Erden. Mehr als 33.000 wurden dort von den Nazis getötet. Unter ihnen auch Kinder und Jugendlich­e, die man von ihren Eltern trennte und in die Baracke 8, den sogenannte­n „Kinderbloc­k“, sperrte. Sie waren dem Terror der Lager-SS schutzlos ausgeliefe­rt.

Einigen Gefangenen teilte man bestimmte Funktionen im Lager zu. Dadurch bekamen sie einen gewissen Handlungss­pielraum. So auch Franz Leitner: Als „Blockältes­ter“im „Kinderbloc­k“konnte er durchsetze­n, dass Kinder unter 14 Jahren vom Apellstehe­n und Arbeitsdie­nst befreit wurden. Die Älteren brachte er in „leichteren“Arbeitskom­mandos unter und versorgte sie mit zusätzlich­en Lebensmitt­eln. Diese Form des Widerstand­s wurde in

Buchenwald von einem geheimen Zusammensc­hluss von KZHäftling­en, dem sogenannte­n „Internatio­nalen Lagerkomit­ee“getragen. Im April 1945, kurz vor der Befreiung durch die Alliierten, wollten die Nazis alle jüdischen Kinder im Lager ermorden. Doch die Retter hatten sie gewarnt und zum Schweigen angehalten.

Kein Kind rührte sich, als die SS-Männer ihnen befahlen vorzutrete­n. Eines von ihnen war der damals erst siebenjähr­ige Israel Meir Lau, der spätere Oberrabbin­er des Staates Israel. Als einer der führenden Köpfe des Lagerwider­standes stand Franz Leitner selbst auf einer von der Gestapo übermittel­ten Todesliste. Als die US-amerikanis­chen Truppen Buchenwald erreichten, übergab er ihnen 200 SS-Männer, die er gemeinsam mit anderen KZ-Häftlingen an der Flucht hatte hindern können. Zurück in Wiener Neustadt wurde Franz Leitner Vizebürger­meister. 1954 übersiedel­te er nach Graz. Er wurde Landessekr­etär der steirische­n KPÖ, später Landespart­eivorsitze­nder. Von 1961 bis 1970 war er der einzige kommunisti­sche Landtagsab­geordnete. Im Jahr 1999 wurde ihm vom Staat Israel der Ehrentitel „Gerechter unter den Völkern“verliehen.

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SAMMLUNG H. LEITNER, YADVASHEM.ORG
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Leitner im Jahr 1999. Israel Meir Lau, der spätere Oberrabine­r Israels, war unter den Kindern, die gerettet worden sind

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