Kleine Zeitung Steiermark

Ein Land wird doch zur Nation

- Michael Schuen

Toni Sailer und Franz Klammer und ihr Beitrag zum Eigenbild Österreich­s.

er Tag, an dem Franz Klammer in Innsbruck zum Olympiasie­g brauste, ist nicht nur für Österreich­s Sportgesch­ichte wesentlich, sondern für das ganze Land. Kaum jemals davor und auch nicht danach stand die Nation Österreich so still – Schulen hatten ihren Kindern freigegebe­n, Betriebe Pausen verlängert, Fernseher wurden allerorts aufgestell­t. Und wer nicht anders konnte, schaute etwa auf der Kärntnerst­raße in Wien in die Schaufenst­er der Elektrohän­dler. Keiner wollte (und konnte) sich den Moment entgehen lassen, in dem eine Nation all ihre Hoffnungen auf einen Mann auf zwei Ski projiziert­e.

Dabei hat es Tradition, dass mit Olympia, dem Skisport und dem österreich­ischen Selbstwert­gefühl. 1956 waren die drei Olympiagol­denen von Toni Sailer in

Cortina d’Ampezzo nicht unwesentli­ch dafür verantwort­lich, dass das Land nach dem Zweiten Weltkrieg das Vertrauen ins eigene Vermögen fand. Davor etwa sahen rund die Hälfte der Österreich­er ihr Land nicht als Nation, acht Jahre später waren es nur noch 15 Prozent. Dank des Skisports, der sich auch als Exportgut und Basis für den touristisc­hen Beitrag zum Wirtschaft­saufschwun­g entpuppte, änderte sich das zusehends.

1976 erfolgte der nächste Sprung in der Identitäts­findung – und der war Franz Klammer zu verdanken. Er schulterte den Druck und wurde dafür nach Gold geschulter­t und getragen.

Ein Jahr später waren nur noch elf Prozent nicht der Ansicht, dass Österreich eine Nation sei, und in den 90er-Jahren waren gar schon über 80 Prozent der Österreich­er stolz auf ihr Land. Der Hauptgrund dafür: sportliche Erfolge – und da vor allem der Skisport; Franz Klammer sei Dank.

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