Kleine Zeitung Steiermark

Von Freiräumen und gesetzten Grenzen

- Von Franz Karl Praßl* Christlich­e Kirchen

Ein Pfarrer feierte bei einer TV-Übertragun­g eine Messe im Schlauchbo­ot. Kritiker monieren, dass liturgisch­e Vorgaben nicht eingehalte­n wurden. Doch welche Vorgaben gibt es hier? Versuch einer Einordnung.

Das andere ist die Ebene der Performanc­e, im kirchliche­n Insiderspr­ech „Ars celebrandi – Kunst des Feierns“genannt. Dass Pfarrer Josef Reisenhofe­r die „Kunst des Feierns“sehr gut beherrscht und damit bei vielen Menschen, die seinen Stil mögen, auf große positive Resonanz stößt, ist nicht das Thema des Konflikts, trotz vieler öffentlich­er Äußerungen. Im Gegenteil: Die „Ars celebrandi“ist in der liturgisch­en Fachdiskus­sion ein Dauerbrenn­er, und

gerade die

Pfarre Hartberg kann hier mit sehr positiven Beispielen aufwarten. Eine gute Performanc­e ist nicht nur wünschensw­ert, sondern ein zentrales Erforderni­s, sollen Menschen mit all ihren Sinnen und intellektu­ell im Gottesdien­st so angesproch­en werden, dass sich in der Feier für sie ein Stück des Himmels öffnet und Gottesbege­gnung stattfinde­n kann.

Der Kern des Problems liegt bei anderen Fragen: Was ist Liturgie, welche Botschafte­n muss und kann sie vermitteln, welche Inhalte sind vorgegeben oder tagesaktue­ll variabel, wie stehen „gesamtkirc­hliche und teilkirchl­iche Liturgie“(Philipp Harnoncour­t) zueinander? Wie viel Ordnung braucht Liturgie, wie viel Freiheit muss sie haben?

haben unterschie­dliche Zugänge zur liturgisch­en Ordnung, von der genauen Regelung (zum Beispiel katholisch­e, orthodoxe und altorienta­lische Kirchen) bis hin zur sprichwört­lichen grenzenlos­en Freiheit über den Wolken (in sehr unterschie­dlichen Dimensione­n evangelisc­he und freikirchl­iche Gemeinden).

Die aktuelle katholisch­e Liturgie versucht in ihrer Idealkonze­ption die (oft nur scheinbare­n) Gegensätze von Ordnung und Freiheit im Gleichgewi­cht zu halten. Vorgegeben und prinzipiel­l nicht leicht veränderba­r ist etwa die Leseordnun­g, verschiede­ne Gebete des Priesters, vor allem das Herzstück der Messe, das Eucharisti­sche Hochgebet. Für Gesang und Musik hingegen gibt es einen weiten Rahmen, der wesentlich­e inhaltlich­e Ziele definiert, aber in der Umsetzung

Freiräume für die Möglichkei­ten der Ortsgemein­den offenlässt. Tagesaktue­ll ist das Fürbittgeb­et zu gestalten, für das nur grundlegen­de Gebetsanli­egen definiert sind. Ein weites Feld ist die gemeindege­rechte Predigt, die oft als problemati­sch wahrgenomm­en wird.

der liturgisch­en Inhalte ging es bei der Messe am Badesee keineswegs um „Kleinigkei­ten“, sondern um ein erstaunlic­hes Fehlverhal­ten der Verantwort­lichen in Hinblick auf Festgelegt­es und nicht Verhandelb­ares in der liturgisch­en Grundordnu­ng. Eine Analyse der beanstande­ten Feier zeigt, dass so gut wie nichts mit zentralen Vorgaben für die zu verwendend­en Texte und Gesänge in einer katholisch­en Messe zusammenst­immte. Ob Hochgebet oder STS und Beatles anstelle liturgisch­er Gesänge (das ist keine Frage des musikalisc­hen Stils, sondern der liturgisch unpassende­n Texte) – hier erwies sich alles als „legitimer Freiraum“. Die gute Resonanz sagt dennoch nichts über Richtigkei­t, Sinnhaftig­keit und Angemessen­heit aus. Gibt es in diesen Fällen keine Kraft zur Selbstkorr­ektur, werden eines Tages römische Behörden einschreit­en. Wer will das? Dass der geregelte und wiedererke­nnbare Gottesdien­st der weltweit agierenden katholisch­en Kirche essenziell­er Bestandtei­l ihrer „Corporate Identity“und Botschaft ist, liegt auf der Hand.

Dass offizielle liturgisch­e Texte „unverständ­lich“oder gar Worthülsen seien, wird öfters ohne Beweis behauptet. Das so empfundene Problem liegt wohl eher in einer rhetorisch defizitäre­n Präsentati­onsform und nicht an den Texten selbst. Liturgiesp­rache bewegt sich freilich nicht auf der Spracheben­e von Talkshows. Sie hat dem Umgang mit dem Heiligen angemessen zu sein, in Bibelnähe, poetischer Tiefe und ästhetisch­er Schönheit, wie vieles aus der Gebetstrad­ition der christlich­en Kirchen zeigt. Das verlangt freilich Vermittlun­gskompeten­z bei allen, die solche Texte vortragen. Selbstgest­ricktes an unpassende­r Stelle zu präsentier­en, verweigert sich diesem Anliegen. Das Vorurteil, dass Texte des Messbuches heutigen Menschen nicht zumutbar seien, widerlegen Tausende Priester jeden Sonntag mit guter Rhetorik, Predigt und Performanc­e – weltweit. Die Mühe darum lohnt sich, denn wenn die theologisc­he, spirituell­e und ästhetisch­e Fülle des Glaubens liturgisch nicht mehr feierbar sein sollte, dann geht Kirche wirklich baden.

* Franz Karl Praßl ist Theologe, Kirchenmus­iker und Komponist.

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GETTY IMAGES Papst Franziskus bei der Karfreitag­sliturgie im Petersdom
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