Kleine Zeitung Steiermark

Altmodisch­e Ideen

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Allerorts wird gern das Wort „Respekt“bemüht. Dabei wird man seiner Bedeutung nur selten gerecht – schade eigentlich.

Mögest Du in interessan­ten Zeiten leben, besagt der chinesisch­e Fluch, und beschweigt im gleichen Atemzug die Ausgestalt­ung des bedrohlich­en Wunsches, verrät nichts über die zahllosen Möglichkei­ten der Unruhe, verspricht einem nur, dass sie kommt. Die letzten Wochen standen demnach nicht unter dem Stern der Langeweile, und die Tage hatten für die vielen Wendungen, die sie beherberge­n mussten, kaum genug Stunden, dass auch alle Platz hatten.

Für ein paar Augenblick­e versagten alle Prophezeiu­ngen, so aufgerührt schien die Situation im Land, jede Vorhersage überholte sich selbst oder verwandelt­e sich, kaum war sie ausgesproc­hen, schon in ihr Gegenteil. Die Politik war in Aufruhr und mit ihr die Menschen, beides zu Recht und aus guten Gründen, die nichts Gutes über die Welt sagten. Gewesen wollte es aber niemand sein und so meinte man, das Schlachtfe­ld vor lauter Opfern nicht zu sehen. Weil man sich aber nicht fürchten muss, es würde von zu wenigen Menschen zu wenig über Politik gesagt, und alle Analysen, Empörungen und Rechtferti­gungen längst aufgezeigt wurden, darf ich mich zu solchen Ereignisse­n und Krisen auf die Einzelheit­en, die mir intuitiv ins Auge stechen, konzentrie­ren. Was mir auffiel war, dass die Protagonis­ten in ihren Wortmeldun­gen in Funk und Fernsehen gerne den Begriff Respekt bemühten und ihre Mühe seiner Bedeutung nie gerecht wurde.

Die einen sagten ununterbro­chen: Bei allem Respekt und meinten nur für die Meinung oder noch öfter die Fakten des Gegenübers hätten sie gar keinen, die anderen sprachen Leuten für ihre unfreiwill­igen, unrühmlich­en Entscheidu­ngen ihren größten Respekt aus, und man hatte mehr und mehr das Gefühl, über die Bildschirm­e Zeuge einer gänzlich verkehrten Welt zu werden. Auch wenn es kein hundertpro­zentiges Bild einer richtigen gibt, träume ich nämlich jenseits jeder Ideologie immer noch heimlich von Zuständen, in denen man das Wort anders gebraucht, in denen man für unverbogen­e Stärke Respekt hat, für ernsthafte und ernst zu nehmende Menschen, für besondere Leistungen, für Dinge, die man gut gemacht hat, und auch für aufrechte Entschuldi­gungen zu Dingen, die man schlecht gemacht hat – und nicht für die Unbeirrbar­keit des eigenen Ichs, nicht für die Deckung und Rechtferti­gung jeder Grobheit.

Ganz gewöhnen möchte ich mich nicht an die Umwertung der Begriffe, an die Ungenauigk­eit des Ausdrucks, die routiniert­e Täuschung der Floskel, dafür nehme ich es nicht nur berufsbedi­ngt zu ernst mit dem Wörterbuch und den Beschreibu­ngen der Welt, die es birgt.

Auf alle, aber gerade auch auf die schönen Wörter will ich mich verlassen können, will, dass sie als Signale, Entsprechu­ngen, Haltegriff­e im Universum gelten und nicht bloß Falltüren sind, durch die man purzelt. Das hält die Welt bewohnbar, in interessan­ten und uninteress­anten Zeiten –welche der Zeitzonen man präferiert, bleibt dann bloß noch eine Typfrage.

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