Kleine Zeitung Steiermark

Schon lange am Anschlag

- Alexandra Weiss

Am Anschlag sind die Menschen, die in der Pflege tätig sind, schon lange, Corona hat die Situation noch verschärft. Es ist schwere körperlich­e Arbeit mit hoher emotionale­r Belastung und geringer Entlohnung – und es sind vor allem Frauen, die hier arbeiten.

Der Bedarf an Pflege wird weiter zunehmen. Die Lebenserwa­rtung steigt, je älter die Menschen werden, desto höher ist die Wahrschein­lichkeit von Mehrfach- und Demenzerkr­ankungen. Umstände, die auch neue Anforderun­gen an die Pflege stellen. Gleichzeit­ig steigen die Ansprüche an die Qualität der Pflege – und das ist gut so. „Warm, statt, sauber“als Maxime schafft weder für Pflegebedü­rftige noch für Beschäftig­te eine erfüllende Perspektiv­e. Das heißt aber auch, dass es mehr Personal braucht, dass Personalsc­hlüssel den neuen Anforderun­gen angepasst werden müssen.

Das Interesse der Politik, eine Reform der Pflege endlich anzugehen, scheint aber gering. Budgetsani­erung und die Reduktion von Sozialausg­aben gehören seit den 1990er-Jahren zur Programmat­ik einer neoliberal­en Politik, die soziale Verwerfung­en in Kauf nimmt und soziale Probleme zunehmend in die Eigenveran­twortung der Bürgerinne­n und Bürger delegiert. Dass der CoronaBonu­s immer noch nicht ausbezahlt wurde, während Unternehme­n großzügige Unterstütz­ung erhielten, muss man als Geringschä­tzung nicht nur gegenüber den Beschäftig­ten, sondern auch den Pflegebedü­rftigen sehen. ährend also die Ansprüche steigen, wächst auch der Kosten- und Effizienz-Druck in der Pflege. Dabei stehen ökonomisch­e Effizienzk­riterien in krassem Widerspruc­h zur Tätigkeit des Pflegens an sich. Aushalten müssen das derzeit die Beschäftig­ten. Nicht zufällig häufen sich die Burn-out-Erkrankung­en. Zeit zum Reden, um eine Beziehung aufbauen, das bleibt angesichts knapper Ressourcen oft auf der Strecke. Und das konterkari­ert genau das, was Pflegerinn­en in ihrer Ausbildung im Sinne eines ganzheitli­chen Ansatzes lernen. Die Praxis in der Pflege stellt so genau das infrage, was für viele die Motivation für ihren Beruf ausmacht.

ist Politologi­n in Innsbruck.

„Zeit zum Reden, um eine Beziehung aufzubauen, das bleibt angesichts knapper Ressourcen oft auf der Strecke.“

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