Schon lange am Anschlag
Am Anschlag sind die Menschen, die in der Pflege tätig sind, schon lange, Corona hat die Situation noch verschärft. Es ist schwere körperliche Arbeit mit hoher emotionaler Belastung und geringer Entlohnung – und es sind vor allem Frauen, die hier arbeiten.
Der Bedarf an Pflege wird weiter zunehmen. Die Lebenserwartung steigt, je älter die Menschen werden, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit von Mehrfach- und Demenzerkrankungen. Umstände, die auch neue Anforderungen an die Pflege stellen. Gleichzeitig steigen die Ansprüche an die Qualität der Pflege – und das ist gut so. „Warm, statt, sauber“als Maxime schafft weder für Pflegebedürftige noch für Beschäftigte eine erfüllende Perspektive. Das heißt aber auch, dass es mehr Personal braucht, dass Personalschlüssel den neuen Anforderungen angepasst werden müssen.
Das Interesse der Politik, eine Reform der Pflege endlich anzugehen, scheint aber gering. Budgetsanierung und die Reduktion von Sozialausgaben gehören seit den 1990er-Jahren zur Programmatik einer neoliberalen Politik, die soziale Verwerfungen in Kauf nimmt und soziale Probleme zunehmend in die Eigenverantwortung der Bürgerinnen und Bürger delegiert. Dass der CoronaBonus immer noch nicht ausbezahlt wurde, während Unternehmen großzügige Unterstützung erhielten, muss man als Geringschätzung nicht nur gegenüber den Beschäftigten, sondern auch den Pflegebedürftigen sehen. ährend also die Ansprüche steigen, wächst auch der Kosten- und Effizienz-Druck in der Pflege. Dabei stehen ökonomische Effizienzkriterien in krassem Widerspruch zur Tätigkeit des Pflegens an sich. Aushalten müssen das derzeit die Beschäftigten. Nicht zufällig häufen sich die Burn-out-Erkrankungen. Zeit zum Reden, um eine Beziehung aufbauen, das bleibt angesichts knapper Ressourcen oft auf der Strecke. Und das konterkariert genau das, was Pflegerinnen in ihrer Ausbildung im Sinne eines ganzheitlichen Ansatzes lernen. Die Praxis in der Pflege stellt so genau das infrage, was für viele die Motivation für ihren Beruf ausmacht.
ist Politologin in Innsbruck.
„Zeit zum Reden, um eine Beziehung aufzubauen, das bleibt angesichts knapper Ressourcen oft auf der Strecke.“
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