Wir alle sind Arbeitgeber
Im Werben um Pflegekräfte geht es darum, was wir selbst und unsere Liebsten dringend brauchen. Das sollte den Blick auf das Notwendige und auf das Zumutbare schärfen.
Wenige Monate ist es her, da war ich in Kontakt mit älteren Arbeitslosen, die sich neu orientierten. Es war mitten in der Corona-Pandemie, das Stellenangebot war karg, die Verzweiflung groß. Lange hatte es gedauert, bis eine der Betroffenen zu einer neuen Perspektive fand. Sie, die zuvor einen Golfclub gemanagt hatte, entschloss sich zu einer Ausbildung als Pflegekraft. Sie spürte: Vieles von dem, was sie konnte, qualifizierte sie für diesen Beruf, ohne dass sie es vorher wusste.
Plötzlich sind Arbeitskräfte Mangelware, nicht nur in der Pflege. Plötzlich finden sich auch die, die zuvor früher als andere am Abstellgleis landeten, die Frauen, die Älteren, die Zuwanderer, in den Fischgründen der Recruiter, die im Auftrag ihrer verzweifelten Klienten nach Fachpersonal fahnden.
In der Pflege ist der Mangel nicht neu. Neu ist auch nicht das Wissen darum, dass es nicht Erwartungen (an ein Wirtschaftswachstum) sind, die diesen Mangel prägen, sondern reine Fakten: Immer mehr ältere Österreicherinnen und Österreicher, immer weniger
Menschen im erwerbsfähigen Alter, die Quadratur des Kreises rund um die Arbeitsbedingungen. Weniger Personal bedeutet höhere Belastung, das bedeutet noch weniger Personal, weil jene, die noch geblieben waren, auch aufgeben.
Es darf nicht so lange dauern, Monate nämlich, bis jemandem, der sich anbietet für diesen Beruf, wie die oben beschriebene Frau, die Brücke gebaut wird.
Es darf keine Frage des Geldes sein, ob die Ausbildung finanziert wird und künftigem Personal auch schon in der Lehr- oder Praktikumszeit ein Auskommen gesichert wird.
Es darf nicht mehr vorkommen, dass die Frage der höchstpersönlichen Vereinbarkeit von Familie und Beruf zur Privatsache der Beschäftigten wird, während ihnen abverlangt wird, sich mit Haut und Haaren in den Dienst des Gemeinwesens zu stellen.
Der Job ist hart, egal ob im Seniorenheim, in der Spitalsabteilung oder in der mobilen Betreuung und Pflege. Es braucht die Möglichkeit der Unterbrechung – sei es im Wege kürzerer Arbeitszeiten, damit sich der Körper erholen kann, sei es durch bezahlte Zeit für Supervision, damit die Psyche die Belastung verkraftet.
Es braucht Respekt und Wertschätzung, die sich nicht nur in Lippenbekenntnissen erschöpft, sondern auch in der Bezahlung ihren Niederschlag findet.
Es braucht ein neues Denken in Bezug auf das, was an Qualitätssicherung und Dokumentationsaufwand notwendig und was entbehrlich ist, und auf das, was an Zumutungen zulässig und was jenseitig ist. er Arbeitsmarkt ist geprägt von einem Wettbewerb um die besten Köpfe und die flinksten Hände, wie es Christian Helmenstein, Chefökonom der Industriellenvereinigung formulierte. Das gilt mehr denn je auch für den Pflegebereich. Die Schaffung besserer Arbeitsbedingungen sollte mehrheitsfähig sein, denn besorgte Arbeitgeber sind wir hier potenziell alle.
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