Klimt und Künstliche Intelligenz
Google Arts lässt in seiner digitalen Klimt-Ausstellung die berühmten Fakultätsbilder in Farbe erstrahlen.
Wie darf es Gustav Klimt sein? Analog oder doch lieber digital? Da muss Franz Smola nicht lange nachdenken: „Analog natürlich!“, lacht der Kurator des Belvedere und Klimt-Experte am anderen Ende der Telefonleitung in Rom. Dort hat ihn natürlich niemand anderer hin verschlagen als der 1862 geborene, 1918 verstorbene Künstler selbst. Am Mittwoch wird die von Smola kuratierte Schau „Klimt. La Secessione e l’Italia“im Museo di Roma eröffnet.
Wobei Smola auch für den digitalen Klimt sein Herz erwärmen kann, sogar stark: „Das ist fantastisch!“, schwärmt er. Das sei nicht immer so gewesen, aber das vorliegende Ergebnis begeistere sogar ihn. Kein Wunder, die Dimension übersteigt selbst die Möglichkeiten des Belvedere, das weltweit über die umfassendste Klimt-Gemäldesammlung verfügt.
Keine Frage, die Ausstellung „Klimt vs. Klimt – The Man of Contradictions“lässt sich analog nicht toppen. Rund 700 Exponate, darunter 120 Gemälde, sind in dieser digitalen Werkschau zu sehen. 30 Institutionen aus 13 Ländern sind am Projekt beteiligt, das Belvedere übernahm die kuratorische Leitung.
„Unglaublich, was technisch hier möglich ist. Man kann in die Bilder in einer noch nie da gewesenen Form eintauchen“, sagt Smola. Doch hochauflösende Kameras sind nur ein Aspekt des Google-Projektes.
hat auch den Pinsel geschwungen – nachdem Franz Smola die Recherche-Maschine angeworfen hat. Gegenstand der Untersuchungen sind die berühmten Fakultätsbilder von Gustav Klimt, über deren wechselvolle Geschichte auch gerne das Wort „Skandal“schwebt. Als Deckengemälde für die Aula Magna der Universität Wien geplant, wurden sie jedoch nie an ihrem Bestimmungsort angebracht. Noch dazu gibt es von den drei bei einem Brand zerstörten Gemälden „Philosophie“, „Medizin“und „Jurisprudenz“nur Schwarz-Weiß-Fotos.
Wie lässt man solche Bilder in den Originalfarben erscheinen? Smola durchforstete damalige Berichte – kritische Auseinandersetzungen auch von Journalisten. Dann wurden die Beschreibungen mit der bevorzugten Farbpalette Klimts zur Entstehungszeit abgeglichen: „In den jeweiligen Phasen und Motivbereichen variieren die Farben nicht besonders stark“. Das intensive Aquariengrün der „Philosophie“könnte man etwa auch bei den „Nixen“finden. Den Rest schuf Deep Learning.
Herausgekommen ist ein Farbrausch, der auch die Aufregung um die Bilder erklärt: 1893/94 bekamen Franz Matsch und Klimt den Auftrag für die Fakultätsbilder. Matsch hielt sich an die Vorgaben der Auftraggeber, in Klimts Schaffen aber vollzog sich ein tiefgreifender Wandel: vom Historismus hin zum Symbolismus. Die Fakultätsbilder sind deshalb „maßgebliche Werke im Gesamtwerk von Klimt“, erklärt Smola.
Doch schon im Entwurfsstadium schockten die Bilder die Auftraggeber – zu nackt, zu düster, zu schräg. 1905 entschied man sich dagegen, Klimt zahlte, mithilfe von Sponsoren, den Vorschuss zurück. 1945 wurden die damaligen Besitzer von den Nazis enteignet, die Bilder im Schloss Immendorf zwischengelagert. Als die Alliierten kamen, steckte die SS das Schloss in Brand – zahlreiche Kunstschätze gingen in Flammen auf.