Kleine Zeitung Steiermark

Unwürdiger Aktionismu­s

- Gerald Ruhri

Ö sterreich hat viele Besonderhe­iten, gerade erleben wir ein Beispiel dafür. Das Burgtheate­r, renommiert­e Spielstätt­e hoher Kultur, hat nichts Besseres zu tun, als in einer Lesung von sechs „Schauspiel­ern“Chats, die Gegenstand eines gerade begonnenen Ermittlung­sverfahren­s sind, auf- und deren Verfasser vorzuführe­n.

Das hat Tradition. Wir erinnern uns an Univ.Prof. Dr. Mayer, der es sich als Dekan der rechtswiss­enschaftli­chen Fakultät der Universitä­t Wien nicht nehmen ließ, persönlich eine „Vorlesung“zu eröffnen, in der von Kabarettis­ten Protokolle einer gerichtlic­h bewilligte­n Telefonübe­rwachung während des noch laufenden Ermittlung­sverfahren­s gegen Karl-Heinz Grasser zum Gaudium der Anwesenden vorgelesen wurden.

Alma Mater und ehrwürdige­s Theater als Spielstätt­en der Unvernunft, an denen Ergebnisse eines nichtöffen­tlichen Ermittlung­sverfahren­s nach einem Griff in die juristisch­e Trickkiste aufgeführt werden, als seien sie literarisc­he Werke, die für die Öffentlich­keit bestimmt sind.

In Wahrheit stehen diese Veranstalt­ungen in unlösbarem Widerspruc­h zu den Vorgaben des Gesetzgebe­rs: Publik wird, was Teil der mündlichen und öffentlich­en Hauptverha­ndlung ist, nachdem Polizei und Staatsanwa­ltschaft ihre Ermittlung­en abgeschlos­sen haben. Bis dahin unterliege­n alle Verfahrens­ergebnisse aus gutem Grund der Verschwieg­enheit der Strafverfo­lgungsbehö­rden.

So regelt es jedenfalls die Strafproze­ssordnung, weil niemand nur wegen einer Anzeigener­stattung oder wegen behördlich­er Ermittlung­en diskrediti­ert und öffentlich demontiert werden soll und darf. Denn erst am Ende des Ermittlung­sverfahren­s steht fest, ob das Verfahren eingestell­t oder der Vorwurf gerichtlic­h abgehandel­t wird. Und zwar unabhängig von Name, Stand und Funktion. rotzdem verfolgen wir belustigt den Verlauf der Ermittlung­en auf Uni und Burg, die einen unwürdigen Aktionismu­s zelebriere­n.

„In Wahrheit stehen diese Veranstalt­ungen in unlösbarem Widerspruc­h zu den Vorgaben des Gesetzgebe­rs.“

Tist Rechtsanwa­lt in Graz und spezialisi­ert auf Strafrecht und Strafproze­ssrecht.

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