Unwürdiger Aktionismus
Ö sterreich hat viele Besonderheiten, gerade erleben wir ein Beispiel dafür. Das Burgtheater, renommierte Spielstätte hoher Kultur, hat nichts Besseres zu tun, als in einer Lesung von sechs „Schauspielern“Chats, die Gegenstand eines gerade begonnenen Ermittlungsverfahrens sind, auf- und deren Verfasser vorzuführen.
Das hat Tradition. Wir erinnern uns an Univ.Prof. Dr. Mayer, der es sich als Dekan der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien nicht nehmen ließ, persönlich eine „Vorlesung“zu eröffnen, in der von Kabarettisten Protokolle einer gerichtlich bewilligten Telefonüberwachung während des noch laufenden Ermittlungsverfahrens gegen Karl-Heinz Grasser zum Gaudium der Anwesenden vorgelesen wurden.
Alma Mater und ehrwürdiges Theater als Spielstätten der Unvernunft, an denen Ergebnisse eines nichtöffentlichen Ermittlungsverfahrens nach einem Griff in die juristische Trickkiste aufgeführt werden, als seien sie literarische Werke, die für die Öffentlichkeit bestimmt sind.
In Wahrheit stehen diese Veranstaltungen in unlösbarem Widerspruch zu den Vorgaben des Gesetzgebers: Publik wird, was Teil der mündlichen und öffentlichen Hauptverhandlung ist, nachdem Polizei und Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen abgeschlossen haben. Bis dahin unterliegen alle Verfahrensergebnisse aus gutem Grund der Verschwiegenheit der Strafverfolgungsbehörden.
So regelt es jedenfalls die Strafprozessordnung, weil niemand nur wegen einer Anzeigenerstattung oder wegen behördlicher Ermittlungen diskreditiert und öffentlich demontiert werden soll und darf. Denn erst am Ende des Ermittlungsverfahrens steht fest, ob das Verfahren eingestellt oder der Vorwurf gerichtlich abgehandelt wird. Und zwar unabhängig von Name, Stand und Funktion. rotzdem verfolgen wir belustigt den Verlauf der Ermittlungen auf Uni und Burg, die einen unwürdigen Aktionismus zelebrieren.
„In Wahrheit stehen diese Veranstaltungen in unlösbarem Widerspruch zu den Vorgaben des Gesetzgebers.“
Tist Rechtsanwalt in Graz und spezialisiert auf Strafrecht und Strafprozessrecht.