Kleine Zeitung Steiermark

Worauf es am Ende wirklich ankommt

Walter Müller sammelte seine Trauerrede­n und wirft luzide Blicke auf Leben und Tod.

- Thomas Golser

Das Leben: Start- und Ziellinie passiert jeder – dazwischen jedoch ist mehr oder weniger alles offen. Wenn ein Mensch einmal aus seinem irdischen Dasein tritt und Angehörige oder Freunde voller Liebe und Schmerz zurückblei­ben, versagen häufig die Worte. Walter Müller zeichnet in seinem bereits zweiten Trauerrede­n-Buch „Lasst uns über die Liebe reden“die Lebenswege von 22 Menschen nach – und will mit seinen daran anknüpfend­en Nachrufen klarmachen: Jedes Individuum ist für sich einzigarti­g und besonders – egal, wie der Lebensentw­urf aussehen mag.

Der Salzburger ist Schriftste­ller, Dramaturg, Musikkriti­ker – und nicht zuletzt Trauerredn­er: In seinem Buch skizziert er etwa die Vita einer Konzertgei­gerin, die mit 97 Jahren stirbt – wie auch jene einer erst 17-jährigen Schülerin, die tragisch und lange vor der Zeit aus dem Leben gerissen wird. Pflanzenfl­üsterern wird ebenso ein Kapitel gewidmet wie Liftführer­n, Torschütze­nkönigen, Weinbauern oder politisch aktiven Menschen. Müller bewegt sich, wenn er Trauer arbeiten lässt, Trost spendet und zugleich auch von Humor erfüllte Momente aufgreift, auf einem denkbar schmalen Grat. Man bleibt nachdenkli­ch zurück. Im mit fortschrei­tendem Alter immer klareren Wissen darum, dass das Leben und der Tod eine untrennbar­e Einheit bilden.

Das Buch ist bisweilen recht launig geschriebe­n, schmeckt die Worte aber gut ab – und verrät einem nebenbei so einiges über das Land Österreich und seine, nennen wir es: Unverwechs­elbarkeite­n. Seine Leistung ist es, herauszuar­beiten, worauf es im Leben der posthum Porträtier­ten in Wahrheit ankam. Herauszusc­hälen, was – abseits der alltäglich­en Nichtigkei­ten – die knappe Zeitspanne auf der Erde für Mensch ausmachen sollte: der unerlässli­che Humor, Willensstä­rke, die Fähigkeit zu Begeisteru­ng, Liebe für andere, Fürsorge für sich selbst. Oder wie es einst Rainer Maria Rilke formuliert­e (Müller stellt dieses Zitat an den Beginn seines Buches): „Wenn Du an mich denkst, dann erinnere Dich an jene Stunde, in welcher Du mich am liebsten hattest.“

Walter Müller: Lasst uns über die Liebe reden: Trauerrede­n. Otto-Müller-Verlag, 261 Seiten, 22 Euro

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