Worauf es am Ende wirklich ankommt
Walter Müller sammelte seine Trauerreden und wirft luzide Blicke auf Leben und Tod.
Das Leben: Start- und Ziellinie passiert jeder – dazwischen jedoch ist mehr oder weniger alles offen. Wenn ein Mensch einmal aus seinem irdischen Dasein tritt und Angehörige oder Freunde voller Liebe und Schmerz zurückbleiben, versagen häufig die Worte. Walter Müller zeichnet in seinem bereits zweiten Trauerreden-Buch „Lasst uns über die Liebe reden“die Lebenswege von 22 Menschen nach – und will mit seinen daran anknüpfenden Nachrufen klarmachen: Jedes Individuum ist für sich einzigartig und besonders – egal, wie der Lebensentwurf aussehen mag.
Der Salzburger ist Schriftsteller, Dramaturg, Musikkritiker – und nicht zuletzt Trauerredner: In seinem Buch skizziert er etwa die Vita einer Konzertgeigerin, die mit 97 Jahren stirbt – wie auch jene einer erst 17-jährigen Schülerin, die tragisch und lange vor der Zeit aus dem Leben gerissen wird. Pflanzenflüsterern wird ebenso ein Kapitel gewidmet wie Liftführern, Torschützenkönigen, Weinbauern oder politisch aktiven Menschen. Müller bewegt sich, wenn er Trauer arbeiten lässt, Trost spendet und zugleich auch von Humor erfüllte Momente aufgreift, auf einem denkbar schmalen Grat. Man bleibt nachdenklich zurück. Im mit fortschreitendem Alter immer klareren Wissen darum, dass das Leben und der Tod eine untrennbare Einheit bilden.
Das Buch ist bisweilen recht launig geschrieben, schmeckt die Worte aber gut ab – und verrät einem nebenbei so einiges über das Land Österreich und seine, nennen wir es: Unverwechselbarkeiten. Seine Leistung ist es, herauszuarbeiten, worauf es im Leben der posthum Porträtierten in Wahrheit ankam. Herauszuschälen, was – abseits der alltäglichen Nichtigkeiten – die knappe Zeitspanne auf der Erde für Mensch ausmachen sollte: der unerlässliche Humor, Willensstärke, die Fähigkeit zu Begeisterung, Liebe für andere, Fürsorge für sich selbst. Oder wie es einst Rainer Maria Rilke formulierte (Müller stellt dieses Zitat an den Beginn seines Buches): „Wenn Du an mich denkst, dann erinnere Dich an jene Stunde, in welcher Du mich am liebsten hattest.“
Walter Müller: Lasst uns über die Liebe reden: Trauerreden. Otto-Müller-Verlag, 261 Seiten, 22 Euro