Von der magischen Kraft des Gesangs
Christina Pluhar zelebrierte mit Rolando Villazón in der Titelrolle Claudio Monteverdis Oper „L’Orfeo“.
Im Vorjahr war eine Tournee mit den sechs Stationen Paris, Düsseldorf, München, Leipzig, Wien und Graz geplant gewesen. Dann aber gab Corona den Ton an. Jetzt blieb Christina Pluhar und den ihren nur noch der Grazer Musikverein über für die konzertante Aufführung von Claudio Monteverdis „L’Orfeo“.
Die seit 1992 in Paris lebende Grazerin hatte sich also wieder einmal zu einem ihrer seltenen „Heimspiele“eingefunden. Nicht wie üblich als Prima inter Pares an der Laute, sondern am Dirigierpult. Pluhar führte die elf Solisten und 17 Instrumentalisten souverän durch das dichte polyfone Flechtwerk der 1607 uraufgeführten Oper, wobei sie auch risikoreiche Tempi nicht scheute, etwa in den Chören der Nymphen und Hirten. Die künden die Hochzeit von Orpheus und Euridice an, doch mitten in den Freudentaumel platzt eine Botin mit der Nachricht vom plötzlichen Tod der Braut durch einen Schlangenbiss. Aus tiefem Schmerz macht sich Orpheus auf in das Labyrinth der Unterwelt …
des himmlischen Sängers, der mit seiner Stimme sogar Götter umgarnen und Steine erweichen kann, gewann Pluhar niemand Geringeren als Rolando Villazón. Der Opernstar ist zwar nicht die Idealbesetzung für den thrakischen Musensohn und hing im vollen Stefaniensaal auch zu sehr am Notentext. Aber wie der gebürtige Mexikaner in jede Note und Silbe das Herzblut eines Verzweifelten legt, muss ihm erst einmal jemand nachmachen. Und auch den Konditionstest der Monteverdi’schen Hürdenläufe für Orfeo, der die knapp zwei Stunden Musik zu einem Gutteil selbst tragen muss, bestand Villazón, der im Februar 50 wird, fast ohne Abstriche.
Pluhar hatte um den Ausnahmesänger, der in dieser umfangreichen Rolle sozusagen als Baritenor agieren muss, noch zehn weitere Solisten geschart. Hervorgehoben seien aus der exquisiten Truppe, in der nur Anne-Kathryn Olsen als Euridice seltsam blass blieb, Céline Scheen als quirlige La Musica, Giuseppina Bridelli als berührende Messagiera und Cyril Auvity als hoch präsenter Pastore und Spirito. Pluhars feinsinniges Originalklangensemble „L’Arpeggiata“durchmaß Monteverdis Partitur mit ihren kühnen Chromatiken und raffinierten Rhythmen farbenreich und galant und trug wesentliche Akzente bei zu dieser betörenden Favola in Musica, die einen tröstlicheren Schluss findet als die ursprüngliche Sage, in dem Sinn: Musik mag den Tod nicht überwinden, aber Musik ist Leben. Ewig.