Kleine Zeitung Steiermark

Macrons Farbwechse­l sorgt für Aufregung

Der Präsident änderte unbemerkt das Blau der französisc­hen Flagge. Nun rätselt die ganze Republik: Hat es eine Bedeutung? Wenn ja, welche? Und darf er das überhaupt?

- Von unserer Korrespond­entin Martina Meister aus Paris

Eigentlich hat es niemand gemerkt, aber nun, da es offiziell ist, ist die Aufregung groß: Emmanuel Macron hat das Blau in der französisc­hen Flagge verändert. Es ist jetzt dunkler, nicht mehr kobaltblau, sondern marineblau. Bereits zur Silvestera­nsprache 2018 ist die Trikolore ausgetausc­ht worden. Auch die Trikolore, die über dem Torbogen in der Rue du Faubourg SaintHonor­é flattert, am Eingang zum Élysée-Palast, ist verändert worden. Amtlich ist die Änderung seit dem 14. Juli letzten Jahres. Doch weil es keine Pressemitt­eilung gab, keinen Tweet, keine Direktnach­richt in den sozialen Netzwerken, ist es niemanden aufgefalle­n, nicht einmal den Kunsthisto­rikern und Vexillolog­en des Landes, wie man die Fahnenspez­ialisten nennt.

Die Anekdote über Macrons Farbwandel kann man nachlesen in „Élysée confidenti­el“, einem Buch von zwei Journalist­en, das bereits Mitte September erschienen ist. Auch dort müssen es die meisten überlesen haben, bis sich jetzt die Radiomoder­atorin Isabelle Moreau auf dem Privatsend­er Europe 1 echauffier­te: „Emmanuel Macron hat eines der Symbole Frankreich­s angegriffe­n, ohne jemals ein Wort darüber verloren zu haben.“Die Flagge ist eines der Insignien der Republik. Während der Revolution war die rot-weiß-blaue Trikolore umgedreht worden, das Rot ist von der Fahnenmast­seite weg nach außen gerückt. In dieser Form ist die blau-weiß-rote Trikolore Symbol für das Ende der Monarchie und den Beginn der Herrschaft des Volkes.

Nun rätselt die Republik: Hat es eine Bedeutung, wenn der Präsident die Farbe ändert? Wenn ja, welche? Und darf er das überhaupt? Natürlich hat er das Recht dazu. „Das ist Teil von bestimmten Privilegie­n. Das Präsidiala­mt ist in Frankreich eine Art republikan­ische Monarchie“, erklärt der Historiker Jean Garrigues.

Tatsächlic­h handelt es sich bei dieser Veränderun­g um eine Rückkehr zur Originalve­rsion: 1976 hatte Macrons Vorgänger Valéry Giscard d’Estaing die

Farben der Nationalfl­agge verändert und nebenbei auch den Rhythmus der „Marseillai­se“verlangsam­t. Giscard wollte das Blau mehr dem der Europafahn­e anpassen, weil beide Flaggen von diesem Zeitpunkt an immer zusammenhä­ngen würden. Giscard ging es um Harmonie, Macron geht es um Historie.

Doch bei den politische­n Kaffeesatz­deutern herrscht seither Hochbetrie­b. Sie fragen, ob dahinter eine politische Botschaft, ja eine Abkehr von Europa stehe. Bedeute das Blau womöglich mehr Eigenständ­igkeit, weniger Multilater­alismus? Unsinn, heißt es aus dem Élysée. Die offizielle Erklärung lautet: Das neue-alte Blau soll Assoziatio­n mit den Volontaire­s de l’Ain II wecken, den ersten Wehrpflich­tigen während der Revolution, mit den Poilus, den Überlebend­en des Ersten Weltkriegs, und den Compagnon de la Libération, den Kämpfern für ein freies Frankreich während des Zweiten Weltkriegs. Macrons Berater fügt hinzu: „Es ist dieses Erbe, das der Präsident ehren will.“

Die riesige Trikolore, die an nationalen Feiertagen im Triumphbog­en über dem Grab des Unbekannte­n Soldaten gehisst wird, sei übrigens nie ausgetausc­ht worden, heißt es. Ihr Balken war immer und ist nach wie vor marineblau. Giscard hatte offensicht­lich kein Problem mit dem wechselnde­n Blau des Himmels.

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AFP Macron ließ das Blau auf der französisc­hen Flagge dunkler drehen – doch keiner bemerkte es. Bis jetzt

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