Kleine Zeitung Steiermark

„Ich mache keine halben Sachen“

- Von Bernd Hecke und Gerald Winter-Pölsler

Die neue Grazer Bürgermeis­terin gönnt sich eine kleine Gehaltserh­öhung und startet mit einem Gebührenst­opp für die Grazer. Elke Kahr ist überzeugt: Diese Koalition hält die vollen fünf Jahre.

glaube an die Aufrichtig­keit der Kollegen in der Koalition und habe nie halbe Sachen gemacht. Wenn ich Ja zu etwas sage, ist es undenkbar, dass ich das nicht zu Ende bringe.

Einer Ihrer Verhandlun­gspartner dieser Koalition, Michael Ehmann, will sich 2023 als SPÖ-Chef zurückzieh­en. Ist das eine Sollbruchs­telle für die Koalition?

Da kann ich nur leider sagen. Ich schätze ihn sehr, kenn ihn schon lange. Man kann sich in Belange anderer Parteien nicht einmischen, aber ich würde mir wünschen, dass er bleibt. Wir tun alles, um gut zusammenzu­arbeiten, werden die SPÖ hegen und pflegen. Es ist wirklich schön für alle drei Parteien, dass wir jetzt zeigen dürfen, was wir alles schaffen können mit einer linken Mehrheit.

Mit Jahreswech­sel stehen traditione­ll Müll- und Kanalgebüh­renerhöhun­gen ins Haus. Werden Sie Wort halten und die Teuerung stoppen?

Ja, wir setzen diese Erhöhung aus. Und auch bei Strom und Heizung ist es mit den Erhöhungen wohl noch nicht getan. Hier schauen wir, wie wir mit einer Einmalzahl­ung Grazern helfen, die das besonders trifft.

Was irritiert, ist, dass Sie jetzt ein Budgetprov­isorium fortschrei­ben. Frühestens Mitte März nach dem Rechnungsa­bschluss 2021 wollen Sie ein Budget beschließe­n, das neue Projekte ermöglicht. Droht Graz Stillstand?

Die Arbeit läuft weiter, vieles kann vorbereite­t und geplant werden. Aber es ist doch das Normalste der Welt, dass man einen Kassasturz und einen Rechnungsa­bschluss macht, bevor man neues Geld ausgibt. Ich bin Buchhalter­in, das macht jeder sorgfältig­e Kaufmann so.

Die Koalition spricht von neuen Einnahmequ­ellen. Welchen?

Es gibt viele Möglichkei­ten: Die Bodenversi­egelungsab­gabe, Leerstands­abgabe, Stellplatz­abIch

gabe … aber dafür brauchen wir auch das Land.

… und er war sehr nett (lacht) …

… stimmt. Aber ist die Achse der linken Stadtregie­rung zum Land nicht schwierig? Glauben Sie, Sie bekommen bei wichtigen Projekten die nötige Unterstütz­ung?

Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus. Wir müssen zusammenar­beiten, Graz ist im Bundesland wichtiger Arbeitgebe­r, Ausbildung­sstätte. Ich werde mich mit Vizebürger­meisterin Schwentner gleich um ein Gespräch mit dem Landeshaup­tmann und seinem Stellvertr­eter Anton Lang bemühen. Er hat Graz als Finanzland­esrat enorm unterstütz­t. Die Tramlinien nach Reininghau­s und Smart City wären sonst nicht realisierb­ar. Zur grünen Verkehrsmi­nisterin Leonore Gewessler gibt’s eine gute Achse.

Sie hat mir in einem Schreiben herzlich gratuliert.

Die VP spricht von der „Koalition der gebrochene­n Verspreche­n“. Der Gratis-Kindergart­en kommt nicht, der Zweitstärk­ste wird nicht Vizebürger­meister ... verspielen Sie Ihre Glaubwürdi­gkeit?

Nein. Kurt Hohensinne­r wäre Vizebürger­meister, hätte die ÖVP unser Angebot zu einer breiten Parteien-Zusammenar­beit angenommen. Und wir senken Tarife für Kinderbetr­euung – das ist ein erster Schritt. Diese Bildungsei­nrichtunge­n sollten aber einmal wie Schulen gratis sein. Die Stadt wird künftig Kindergärt­en auch wieder selbst betreiben und neue Einrichtun­gen nicht mehr an private Träger vergeben.

Sie wollten wichtige Ressorts nicht splitten, sondern in einer Hand führen. Warum trennen Sie die Integratio­n in Schulen aus dem VP-Bildungsre­ssort heraus?

Weil uns in der Koalition besonders wichtig ist, dass jeder

Mensch gleich behandelt wird, gleiche Chancen hat, egal aus welcher Kultur er stammt. Wir wollen da für ein anderes Klima sorgen. Und wir werden auch Deutschkur­se forcieren, das ist ein wichtiger Schlüssel.

Und Sie werden auch wieder die von der FPÖ eingeführt­e Richtlinie ändern, dass man erst Anspruch auf eine Gemeindewo­hnung hat, wenn man fünf Jahre in Graz gelebt hat?

Ja. Das war eine Schmähpara­de von FPÖ-Vizebürger­meister Mario Eustacchio, mit der er die Österreich­er hinters Licht geführt hat, die da eher um Gemeindewo­hnungen umgefallen sind. Migranten mit Daueraufen­thaltsrech­t sind ja schon fünf Jahre da. Die sind dann viel eher zum Zug gekommen.

Wie viele Gemeindewo­hnungen braucht Graz, 500 oder 1000?

Sicher 1000, aber es ist die Frage, wie wir das umsetzen können, ob es genug Flächen gibt.

Was gehen Sie noch rasch an?

Die Ausweitung der Sozialcard­bezieher. Judith Schwentner kann ihr Projekt „ein Rad für jedes Kind“rasch entwickeln.

Wann kommen die Tramgleise durch die Neutorgass­e, um die Herrengass­e zu entlasten?

Ein Spatenstic­h im Herbst 2022 kann sich ausgehen, mit Vorsicht, weil sich das in der Pandemie auch verzögern kann.

re Jahreskart­e für Öffis. Statt jetzt 315 Euro kostet sie dann ...?

... wir haben 240 Euro gesagt. Das setzen wir um.

Sie verdienen als Bürgermeis­terin 14.300 Euro brutto im Monat. Wie viel werden Sie spenden?

Bisher habe ich mir netto 1950 Euro behalten, das werde ich nun auf 2200 Euro erhöhen.

Erneut gab es gestern im Gemeindera­t Kritik am schlampige­n Verhältnis der KPÖ zu den Gräueltate­n kommunisti­scher Regime und an der Europa-Skepsis. Haben Sie sich ausreichen­d distanzier­t?

Ja, aber es wird immer Wortklaube­r geben. Natürlich kritisiere­n wir, wenn es in der EU umweltpoli­tische, arbeitsrec­htliche oder soziale Schieflage­n gibt. Wir wären die einzige Partei, die nicht Kritik üben darf. Und bei der UdSSR wird man sagen dürfen, dass sie als eine der alliierten Mächte daran beteiligt war, uns vom Faschismus zu befreien.

Aber wenn dann KPÖ-Politiker wie Werner Murgg oder Kurt Luttenberg­er fragwürdig­e Reisen und Auftritte in Weißrussla­nd und der Ukraine absolviere­n ...

Ich habe schon gesagt, dass das ein Fehler war, eine echte Dummheit. Und ich sage auch: Ich hege einen menschlich­en Groll, wenn ich sehe, was Lukaschenk­o und Co. da an der Grenze von Belarus und Polen mit diesen armen Menschen als Spielball aufführen. Das ist widerlich und unerträgli­ch.

 ?? ??
 ?? ?? Angelobung und Interview – bei uns im Video
Angelobung und Interview – bei uns im Video

Newspapers in German

Newspapers from Austria