Lockdown-Gipfel morgen in Tirol?
Schallenberg, Mückstein, Landeshauptleute verhandeln morgen in Tirol nächste Schritte.
Nach den öffentlich ausgetragenen Differenzen über den einzuschlagenden Kurs geloben die Koalitionspartner Besserung, Kanzler
wie auch Gesundheitsminister
haben beim gestrigen Ministerrat einen großen Bogen um die Mikrofone gemacht. In beiden Lagern wird versichert, dass man miteinander rede und verhandle. Erst wenn eine Einigung erzielt werde, werde man wieder das Licht der Öffentlichkeit suchen.
Dem Vernehmen nach könnten bei der am Achensee unter
Tiroler Vorsitz stattfindenden Landeshauptleutekonferenz neue Maßnahmen verkündet werden – womöglich ein Lockdown, der nicht Lockdown heißt. Ob nur die beiden Infektionshotspots Oberösterreich und Salzburg ins Visier genommen werden, oder ob sich dieser auf das gesamte Bundesgebiet erstreckt, steht in den Sternen. Angesichts der Infektionsdynamik ist Letzteres wahrscheinlich. Wie dieser im Detail aussehen könnte, ob einiges, vieles oder alles zugesperrt wird, ist Gegenstand der Gespräche. Gastgeber
hat sowohl Schallenberg als auch Mückstein zu dem Treffen nach Tirol eingeladen. Dem Treffen dürften nur acht Landeschefs beiwohnen, Vorarlbergs Landeshauptmann dürfte sich mit dem Virus infiziert haben. Vizekanzler Werner Kogler und Umweltministerin
sind Kontaktpersonen und deshalb im Homeoffice.
In der ÖVP hatte man bis zuletzt gehofft, dass der Lockdown für Ungeimpfte eine Trendwende mit sich bringt. Man wolle die Geimpften nicht für die Unvernunft der Ungeimpften bestrafen, so der Tenor. Angesichts der Infektionsdynamik und der Lage in einigen Spitälern, die an Bergamo erinnert, scheint man umzudenken. Im Gesundheitsministerium betont man, dass die Stimmung zwischen den Koalitionspartnern deutlich besser sei als zu Wochenbeginn. Dennoch zeigt man sich davon überzeugt, dass es weitere Maßnahmen für das Eindämmen des Infektionsgeschehens brauche. Einen schnellen, harten, aber kurzen Lockdown für alle als „Wellenbrecher“soll Mückstein angeblich nicht verfolgen. Stattdessen sei der Minister davon überzeugt, dass eine 30-prozentige Kontaktreduktion ausreichen könnte. Erreichbar sei das mit nächtlichen Ausgangsbeschränkungen, mehr Homeoffice, Beschränkungen bei Veranstaltungen und einer Ausweitung der FFP2-Maskenpflicht. Nachdem sich die ÖVP zuletzt „auf den Schlips getreten gefühlt“habe, wolle man den Koalitionspartner nun nicht mehr öffentlich, sondern in direkten Gesprächen von diesen Schritten überzeugen.
Lädt nach Tirol ein: Günther Platter
Videokonferenz wurde ja schon im Vorfeld übermittelt. Auch daran, dass einige Bundesländer Maßnahmen, die Wien schon längst hat, jetzt zeitversetzt einführen, sieht man: Es gibt eine starke Erkenntnis, dass es notwendig ist, schärfere Maßnahmen zu setzen, die über das hinausgehen, was die Bundesregierung am Sonntag auf den Weg gebracht hat.
Gesundheitsminister Mückstein tritt offenbar für schärfere Maßnahmen ein.
Das war in der Sitzung ersichtlich und er hat das auch in der Öffentlichkeit so vermittelt. Jetzt sollte er das durchsetzen.
Das gelingt ihm aber bisher nicht. War es ein Fehler, einen Quereinsteiger in der Pandemie an eine politische Schlüsselposition zu setzen?
Minister Mückstein engagiert sich sehr in dieser schwierigen Situation. Ich finde es nachvollziehbar, dass der Gesundheitsminister zu tief greifenden Maßnahmen aufruft, wenn die Zahlen in ungeheurer Dynamik steigen und die Spitäler an ihre Leistungsgrenzen kommen. Wenn es nicht gelingt, das umzusetzen, liegt das an jenen, die die Umsetzung verhindern.
Es ist ein Unterschied, ob man im Tagespolitischen Abstriche von der eigenen Position macht, Kompromisse eingeht, oder ob es um Menschenleben und die Gesundheit weiter Teile der Bevölkerung geht.
Teilen Sie die Befürchtung, dass sich ein neuerlicher Lockdown negativ auswirkt, auf die Bereitschaft sich impfen oder boostern zu lassen?
Wenn man einen allgemeinen Lockdown ausrufen muss, ist alles andere nicht mehr wirksam. Dann müssen wir die Notbremse ziehen und andere Überlegungen hintanstellen. Es gibt zwei Gründe, warum wir so eine niedrige Impfquote haben: eine Partei, die gegen das Impfen agitiert, und eine Partei, die im Sommer plakatiert hat „Pandemie gemeistert“.
Wird es eine allgemeine Impfpflicht brauchen?
Impfen ist die einzige Art, sich zu schützen. Alles andere ist Scharlatanerie. Bei der Bekämpfung einer Pandemie gibt es keine Alternativmedizin, genauso wenig wie es Alternativphysik gibt. Eine Impfpflicht mag gut klingen, aber was steckt hinter der Überschrift? Wie sollte man das durchsetzen? Welche staatlichen Mittel oder Sanktionen gäbe es? Darauf habe ich noch keine zufriedenstellende Antwort bekommen.
Es gab eine große Regierungskrise, Sebastian Kurz ist zurückgetreten, viele sind unzufrieden mit dem Pandemiemanagement der Regierung. Warum hebt die SPÖ in Umfragen nicht ab?
Die SPÖ liegt in Umfragen erstmals seit Jahren wieder in Führung.
Weil die ÖVP abgestürzt ist, nicht, weil die SPÖ zugelegt hat.
Die eigene Stärke ist immer auch von der Schwäche der anderen abhängig und umgekehrt.
Am Höhepunkt einer Pandemie möchte ich mir nicht vorstellen, einen Wahlkampf zu führen. Jetzt geht es darum, die Menschen gesund durch die Krise zu bringen. Aber man muss danach die politische Verantwortung dafür diskutieren, dass wir überhaupt in diese Situation gekommen sind. Ich erinnere mich noch gut, wie der damalige Bundeskanzler immer erzählt hat, wie gut wir im internationalen Vergleich liegen. Er sollte auch erklären, warum wir jetzt Schlusslicht bei den westeuropäischen Ländern sind.
Immer öfter ertönen Rufe nach Michael Ludwig als SPÖ-Chef. Erreichen Sie die?
Ich freue mich, dass ich mit hoher Zustimmung bei der Wiener Gemeinderatswahl zum Bürgermeister gewählt wurde. Ich fühle mich der Wiener Bevölkerung verpflichtet und bleibe in Wien. Unsere Bundesparteivorsitzende hat als Expertin hohe Kompetenz in der Frage, die jetzt besonders wichtig ist.
In Wien regieren Sie seit einem Jahr mit den Neos. In Umfragen gibt es nun auch im Bund eine knappe Mehrheit für Rot-GrünPink. Wünschen Sie sich das?
Ich wünsche mir, dass die SPÖ auch auf Bundesebene nach einer Nationalratswahl bestimmende Kraft ist. Dann kann man entscheiden, mit welchen Parteien es die größte Übereinstimmung gibt und welche Personen vertrauensbildend wirken. Wir sehen gerade im Bund: Vieles ist an Inhalten orientiert, aber es hängt auch manchmal an den handelnden Personen.