Die Rache der Mafia-Familie
Ein Mitglied des Mancuso-Clans sagt als Kronzeuge vor Gericht aus.
Das italienische Staatsfernsehen Rai formulierte es so: Der berüchtigte ‘Ndrangheta-Clan Mancuso würde in der Provinz Vibo Valentia sogar „den Atem der Personen kontrollieren“. Das klingt übertrieben, doch der große Einfluss der Mafia aus Kalabrien ist bekannt. Die ‘Ndrangheta ist die wohl mächtigste kriminelle Organisation in Europa, sie kontrolliert 80 Prozent des Kokainhandels auf dem Kontinent. Erst am Dienstag war der Polizei ein schwerer Schlag gegen einen Clan der ‘Ndrangheta gelungen.
Seit Jänner läuft zugleich ein Großprozess in Lamezia Terme gegen den Mancuso-Clan und insgesamt mehr als 300 Angeklagte. Es ist der größte MafiaProzess seit den Mega-Verfahren gegen die sizilianische Cosa Nostra in den 1980er-Jahren. Vor Tagen verfügte das Gericht die ersten Haftstrafen gegen 70 Clan-Mitglieder. Unter den Verurteilten sind nicht nur Mafiosi wie Pasquale Gallone, die rechte Hand des Bosses Luigi Mancuso, er bekam 20 Jahre Haft. Vier Kronzeugen wurden ebenfalls verurteilt, darunter Emanuele Mancuso, Neffe des Clanchefs und einst „hoffnungsvoller Sprössling“des Clans, wie die Lokalpresse formulierte.
Mancuso, der 14 Monate Haft bekam, ist der erste Kronzeuge aus dem gleichnamigen Clan. Bislang stellten die engen Familienbande der ‘Ndrangheta ein undurchdringliches Netz für die Ermittler dar. Inzwischen soll es 58 Kronzeugen geben.
Der heute 33 Jahre alte Mancuso wurde bei einer Razzia 2018 festgenommen, drei Monate später begann er gegen seine Familie auszusagen. Die Ermittlungen von Staatsanwalt Nicola Gratteri stützen sich wesentlich auf Mancusos Kenntnisse. „Es handelt sich um den ersten Riss in einem Jahrhundert des Schweigens“, kommentierte La Repubblica. Der Grund für die Aussagebereitschaft Mancusos liegt offenbar in familieninternen Streitigkeiten zwischen ihm, seinem Vater Pantaleone und seinem Onkel, Clanchef Luigi. Beide sind inzwischen in Haft. Pate Luigi Mancuso soll ein Kopfgeld in Höhe von einer Million Euro auf seinen Neffen ausgesetzt haben. Zu Beginn seiner Kooperation soll Mancuso von den Frauen des Clans erpresst worden sein. In seinen Aussagen berichtete der Kronzeuge von mindestens vier Carabinieri, die mit dem Clan zusammenarbeiteten und die Bosse warnten.