Kleine Zeitung Steiermark

Was die Gefangenen erzählen

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Insassen der Karlau haben sich mit Nestroy beschäftig­t. Das Ergebnis ist ein Hörspazier­gang, der nahegeht.

Entlang der kalten, unüberwind­baren Gefängnism­auern der Karlau führen die Stimmen der Häftlinge. Sie befinden sich hinter der mit Stacheldra­htzaun bestückten Betonwand und sind während des Hörspazier­gangs nie weit entfernt – und nie zu erreichen.

Acht Insassen spielen die Hauptrolle­n im „Häfntheate­r“, einem gemeinsame­n Projekt der Justizanst­alt und des Grazer Schauspiel­hauses im Rahmen des Kulturjahr­es 2020/21. Initiiert von Gefängniss­eelsorger Josef Riedl und ursprüngli­ch für die Bühne geplant, aber lockdownbe­dingt in ein Hörspiel umgewandel­t, offenbaren sich Szenen, Reden, Interviews und Gespräche. Als Grundlage hat die künstleris­che Leiterin Julia Gratzer Nestroys „Der böse Geist Lumpazivag­abundus“ausgewählt. Ein Klassiker, in Mundart inszeniert. Geradehera­us reflektier­en die Straftäter, die „acht liederlich­en Türmer“also, über Dinge, über die jeder nachdenkt: die Liebe, die zweite Chance, das Geld oder das Zusammenle­ben.

Zuhören kann man ihnen einfach, indem man sein Smartphone oder Tablet vor den QR-Code an der Haupteinfa­hrt der Karlau in der Herrgottwi­esgasse 50 hält. Acht Stationen leiten um das Gebäude. Und wenn man so an der Mauer langsam entlangwan­dert und die Gefangenen erzählen – von der Freundin, die draußen wartet, von dem Papa, dem man danken will, von dem Essen, das nicht immer schmeckt –, dann entstehen da Verbindung­en zwischen einem selbst und „denen da drüben“, hinter dem Beton und dem Stacheldra­ht. Fazit: ein Hörspiel, das allein durch gesprochen­e Worte und durch die Präsenz einer Mauer berührt.

Audiowalk. Start am Haupteinga­ng der Grazer Karlau. Zum Mitbringen: Smartphone oder Tablet und Kopfhörer. haefenthea­ter.at

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JULIA GRATZER

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