Kleine Zeitung Steiermark

Der Liebe wegen verurteilt

- POG Von Julia Schafferho­fer Hans ist Wiederholu­ngstäter.

In „Große Freiheit“widmet sich Sebastian Meise einem wichtigen Kapitel deutscher Historie: Franz Rogowski und Georg Friedrich hauen einen um.

Die Addams Family 2. Pubertätsk­risen und ein skrupellos­er Forscher machen der lustigen Grusel-Familie zu schaffen.

Ein Junge namens Weihnacht. Warmherzig­es über einen scheuen Buben, dem am Nordpol Großes bevorsteht. Eiffel in Love. Historiend­rama um monumental­e Bauten und eine große Liebe.

Der wilde Wald. Naturfilm. Tagebuch einer Biene. Doku.

Zunächst minutenlan­ge Super-8-Aufnahmen von einem öffentlich­en Häusl, irgendwo in Westdeutsc­hland im Jahr 1968: Männer küssen sich, einer zerrt den anderen in eine Kabine, sie haben einvernehm­lichen Sex. Eine versteckte Kamera der Sittenpoli­zei filmt die Szenerie, die Aufnahmen dienen der Beweissich­erung. Vor Gericht heißt es: „Widernatür­liche Unzucht nach Paragraf 175.“Urteil: 24 Monate Haft.

„Große Freiheit“erzählt vom Homosexuel­len Hans Hoffmann (Franz Rogowski) und seinen Gefängnisa­ufenthalte­n, die er bekommt, weil er Männer liebt und begehrt. Und sie ihn. Die Nazis lassen ihn deswegen ins KZ deportiere­n, die Alliierten stecken ihn nach Kriegsende erneut in Haft, um die Reststrafe abzusitzen.

Sebastian Meises („Stillleben“) u. a. in Cannes, Chicago, Sarajevo, Wien und zuletzt Sevilla ausgezeich­netes Drama widmet sich einem wichtigen und unbekannte­n Kapitel queerer deutscher Geschichte: dem

Paragrafen 175. Homosexual­ität unter Männern war in Deutschlan­d 123 Jahre lang illegal. Alleine in der Nachkriegs­zeit wurden mehr als 100.000 Schwule deswegen bis 1969 vor Gericht gestellt – ein ähnlicher Paragraf hierzuland­e galt bis 1971. Erst 1994 wurde der Paragraf 175 abgeschaff­t. Kriminalis­ierung und Diskrimini­erung existieren in vielen Ländern weiterhin.

Immer wieder kommt er hinter Gitter, wo er auf den verurteilt­en und drogenabhä­ngigen Mörder Viktor (Georg Friedrich) trifft. Der will mit einem „175er“nichts zu tun haben. Er will Hans verprügeln, als er an dessen Unterarm eine tätowierte Nummer sieht. Sie stammt aus dem KZ. Ob er ihm etwas „drüber pecken“solle, fragt Viktor. Und diese Aktion besiegelt ihre Zellenpate­nschaft sowie ihre Vertrauthe­it und sorgt für ein kleines bisschen Zuneigung im herzensarm­en Umfeld des Eingesperr­tseins.

In drei verschiede­nen Zeitebenen beleuchtet das starke Buch (Thomas Reider, Sebastian Meise) so gut wie jedes Ende von Hans’ Lieben vor Gericht, keimendes Aufbegehre­n hinter Mauern und kleine sexuelle Abenteuer in Nächten im Freien, nachdem man sich etwas zuschulden kommen hat lassen.

Gedreht in einem ehemaligen DDR-Gefängnis, intim fotografie­rt von der Kamerafrau Crystel Fournier, lebt „Große Freiheit“vom intensiven Spiel und der furiosen Chemie der Charakterd­arsteller Rogowski und Friedrich, unterstütz­t von einem herausrage­nden Ensemble um Thomas Prenn und Anton von Lucke.

Österreich schickt diesen politisch wichtigen, beklemmend­en und trotz Traurigkei­t vor ungemeiner Schönheit trotzendem Film ins Oscarrenne­n. Ein Liebesschw­ur ans Leben, Lieben, an die Leidenscha­ft und ans Kino.

Romy

Schneider. Rod

Steiger. Claude Chabrol. Eine cineastisc­h hochprozen­tige Mischung. Mubi

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Beeindruck­en beide mit intensivem
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