Alles toxisch, oder was?
Über Männer hört man heute wenig Gutes – eher recht pauschale Zuschreibungen: Gewalt, Sexismus, Gefühlsanalphabetismus usw. Das mag für die Täter bei den schockierenden Frauenmorden auch richtig sein.
Diese Männer werden aber nicht als „tickende Zeitbomben“(Alice Schwarzer) geboren, sondern durch negative Einflüsse geprägt, was durch das geflügelte Wort von der „toxischen Männlichkeit“etwas verwischt wird. Zugleich werden von Gesellschaft und Wirtschaft bestimmte Eigenschaften gefordert (wie Härte, Erfolg, Durchsetzung und anderes mehr), die das Toxische ausmachen. Daher ist es auch männerverachtend, wie Frau Schwarzer pauschal zu sagen, es seien „unsere eigenen Söhne, Nachbarn und Mitschüler, die zu Vergewaltigern und Mördern werden“, sondern es sind ganz bestimmte, gedrillte, seelisch verwahrloste, auch gedemütigte Männer.
Zudem fehlt bei diesen einseitigen Männeranalysen die Kritik an der traditionellen „toxischen“Prägung auch von Frauen, die an Erziehung und Sozialisation von Männern beteiligt sind und so das System stützen. Dabei verschwindet auch die Beziehungsdimension: Traditionelle Geschlechter-Stereotypen bedingen sich ja gegenseitig, sodass man auch immer wieder hört und liest, dass „weiche“und „feminine“Männer von vielen Frauen abgelehnt würden.
Ein besonders unfreundliches Pauschalurteil ist das über den „alten weißen Mann“, der spätestens seit Harvey Weinsteins Sexbesessenheit Schuld an der Männermisere ist. Ja, mächtige weiße Männer haben viel Unheil über die Welt gebracht; dennoch ist dies eine höchst tendenziöse Wahrnehmung. Es gibt nämlich eine große Mehrheit von (weißen) Männern, die nicht gewalttätig ist und nicht missbraucht. Auch sind (weiße) Männer in vielen gesellschaftlichen Bereichen sehr verdienstvoll. Das gerät aber völlig außer Blick. ir werden Männer aber nur mit einer Haltung, die sie nicht derart pauschal abwertet, erreichen und verändern können.
„Wir werden Männer nur mit einer Haltung, die sie nicht pauschal abwertet, erreichen und verändern können.“
Wist emeritierter Professor für psychosoziale Arbeit und psychoanalytische Pädagogik an der Universität Innsbruck.