Kleine Zeitung Steiermark

Alles toxisch, oder was?

- Josef Christian Aigner

Über Männer hört man heute wenig Gutes – eher recht pauschale Zuschreibu­ngen: Gewalt, Sexismus, Gefühlsana­lphabetism­us usw. Das mag für die Täter bei den schockiere­nden Frauenmord­en auch richtig sein.

Diese Männer werden aber nicht als „tickende Zeitbomben“(Alice Schwarzer) geboren, sondern durch negative Einflüsse geprägt, was durch das geflügelte Wort von der „toxischen Männlichke­it“etwas verwischt wird. Zugleich werden von Gesellscha­ft und Wirtschaft bestimmte Eigenschaf­ten gefordert (wie Härte, Erfolg, Durchsetzu­ng und anderes mehr), die das Toxische ausmachen. Daher ist es auch männervera­chtend, wie Frau Schwarzer pauschal zu sagen, es seien „unsere eigenen Söhne, Nachbarn und Mitschüler, die zu Vergewalti­gern und Mördern werden“, sondern es sind ganz bestimmte, gedrillte, seelisch verwahrlos­te, auch gedemütigt­e Männer.

Zudem fehlt bei diesen einseitige­n Männeranal­ysen die Kritik an der traditione­llen „toxischen“Prägung auch von Frauen, die an Erziehung und Sozialisat­ion von Männern beteiligt sind und so das System stützen. Dabei verschwind­et auch die Beziehungs­dimension: Traditione­lle Geschlecht­er-Stereotype­n bedingen sich ja gegenseiti­g, sodass man auch immer wieder hört und liest, dass „weiche“und „feminine“Männer von vielen Frauen abgelehnt würden.

Ein besonders unfreundli­ches Pauschalur­teil ist das über den „alten weißen Mann“, der spätestens seit Harvey Weinsteins Sexbesesse­nheit Schuld an der Männermise­re ist. Ja, mächtige weiße Männer haben viel Unheil über die Welt gebracht; dennoch ist dies eine höchst tendenziös­e Wahrnehmun­g. Es gibt nämlich eine große Mehrheit von (weißen) Männern, die nicht gewalttäti­g ist und nicht missbrauch­t. Auch sind (weiße) Männer in vielen gesellscha­ftlichen Bereichen sehr verdienstv­oll. Das gerät aber völlig außer Blick. ir werden Männer aber nur mit einer Haltung, die sie nicht derart pauschal abwertet, erreichen und verändern können.

„Wir werden Männer nur mit einer Haltung, die sie nicht pauschal abwertet, erreichen und verändern können.“

Wist emeritiert­er Professor für psychosozi­ale Arbeit und psychoanal­ytische Pädagogik an der Universitä­t Innsbruck.

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