Uniqa-Chef kritisiert Koalition wegen Krise
Fehlende und unklare strategische Entscheidungen verursachten „Schlamassel“.
werbstätigkeit von Frauen („Bei uns arbeiten Frauen noch immer weit über dem Schnitt in Teilzeit. Wir müssen Kinderbetreuungsangebote massiv verbessern“). Ein wesentlicher Punkt sei auch „Lehrlingsausbildung in den Betrieben“, nicht zuletzt müsse der Fokus, speziell im Segment der arbeitslosen Menschen, zunehmend auch Älteren, Langzeitarbeitslosen oder Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen gelten. Kopf: „Wir haben noch Arbeitssuchende – zumindest, wenn man flexibler agiert und nicht nur inländische Männer im Haupterwerbsalter sucht.“
Die Betriebe nimmt der AMSChef auch anderswo in die Pflicht. Im Tourismus etwa sei man „über Jahre durch ein schier unerschöpfliches Arbeitskräfteangebot aus dem Ausland in gewisser Weise verwöhnt gewesen“, erklärt Johannes Kopf. scannen und das Interview mit AMS-Chef Johannes Kopf in voller Länge anhören.
Auch deswegen hätte sich manch ein Unternehmen „weniger Gedanken über Arbeitsbedingungen machen müssen“. Jetzt, in Zeiten des ausbleibenden Personals, werde diese Lethargie zum großen Problem. Ob ein Mehr an regionaler Mobilität nicht Teil einer Lösung sein könnte – indem etwa Wiener Gastroarbeitslose bei Tiroler Betrieben arbeiten, die händeringend nach Personal suchen? Kopf glaubt das nicht: „In Tirol gibt es ausreichend Köche – aber sie arbeiten in der Industrie und nicht im Tourismus.“
Das viel zitierte „Mismatch“am Arbeitsmarkt – also das Auseinanderklaffen zwischen vorhandener und nachgefragter Qualifikation – sei tatsächlich stark ausgeprägt, erklärt Johannes Kopf: „Die Hälfte der Arbeitssuchenden hat nur die Pflichtschule besucht. Das ist zu wenig in der heutigen Zeit.“
Der Chef der Uniqa-Versicherung, Andreas Brandstetter, geht knallhart mit der Regierung ins Gericht und wirft ihr trotz durch die Decke schnalzender Infektionszahlen „hin und her Lavieren“vor. Fehlende oder unklare strategische Entscheidungen hätten zu diesem „Schlamassel“geführt. „Es ist die Zeit längst gekommen, wo wir die Virologen ernst nehmen sollten,“so Brandstetter. „Politiker sind keine Mediziner, mit ein, zwei Ausnahmen. Es ist absurd, als jemand, der von der Materie nichts versteht, nur auf Wählergruppen zu schielen.“Brandstetters Kritik ist umso bemerkenswerter, weil er als ÖVP-nahe gilt. Konkret fordert er die Koalition auf, klar sowohl über eine Impfpflicht als auch über einen Lockdown zu entscheiden.
Die Uniqa-Gruppe ist auch Österreichs größter privater Krankenversicherer. Brandstetter spricht sich zwar nicht in seiner Funktion als Vorstandschef für eine Impfpflicht aus, persönlich ist er aber inzwischen dafür. Bei Engpässen in den öffentlichen Krankenhäusern will die Gruppe mit ihren fünf Privatspitälern wieder wie im vergangenen Winter medizinisch aushelfen. Eines der Spitäler befindet sich in Graz.
Brandstetters Kritik an politischen Versäumnissen beschränkt sich bei einem Inline-Gespräch im Klub der
Wirtschaftspublizisten aber nicht auf die Pandemiebekämpfung. Mangelnden Reformwillen wirft er der Regierung auch bei der Altersvorsorge und in der Altenpflege vor. „Es braucht endlich Konzepte, wie man diese Themen angeht,“so Brandstetter. Eine Riesenbaustelle sei auch der Klimaschutz, einzig Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) zollt Brandstetter ausdrücklich Respekt für ihre Arbeit. Agiere ein Unternehmen so wie derzeit die Politik insgesamt, „na, dann gute Nacht“, so Brandstetter wörtlich.
Brandstetter kann sich eine Brandrede gegen strategische Planlosigkeit jedenfalls leisten: Denn die Uniqa-Gruppe steht trotz Umweltschäden in der Rekordhöhe von rund 200 Millionen Euro bestens da. Mit knapp 236 Millionen Euro ist das Konzernergebnis nach drei Quartalen 42 Prozent höher als vor einem Jahr. Der Zukauf der Axa-Versicherung in Polen, Tschechien und der Slowakei „hat sich aus heutiger Sicht als wahrer Goldgriff entpuppt“, so Brandstetter.
Die Tochter Uniqa Ventures, die in Start-ups investiert, wird bis 2024 mit 150 Millionen Euro Kapital ausgestattet, bisher hatte sie ein Budget von 75 Millionen Euro. Bekannteste Beteiligung ist jene an Bitpanda, der mit vier Milliarden Dollar bewerteten BrokerPlattform etwa für Kryptowährungen.