Flügelschläge für eine bessere Welt
Wie Urlaub nachhaltig prägt: Als Tourist im Norden Deutschlands ankommen und mit neuem Klimabewusstsein nach Hause fahren.
Frieren in der Antarktis. Schwitzen in der Sahara. Im Regenwald über Flüsse balancieren. Die Füße in den Sand stecken. Sich selbst fühlen wie ein Insekt. Wetterextreme hautnah erleben. All das, ohne in ein Flugzeug zu steigen. Im Klimahaus Bremerhaven geht es entlang des achten Längengrades Ost durch verschiedene Klimazonen einmal rund um den Planeten.
Zugegeben, im ersten Moment hört sich so eine Erlebniswelt rund um den Klimawandel ziemlich langweilig an. Wer aber einmal im Gebäude ist, kommt aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Spielend lassen sich hier vier bis sechs Stunden verbringen. Ohne erhobenen Zeigefinger wird Wissen vermittelt. Und das Ganze interaktiv, unterhaltsam und nachdenklich. Gefordert sind dabei die Sinne: sehen, tasten, riechen, mitmachen ist ausdrücklich erwünscht.
Menschen aus neun unterschiedlichen Ländern erzählen unterwegs, wie sie den Klimawandel erleben und welchen Einfluss er auf ihre Bräuche und Traditionen hat. 2009 wurde das Klimahaus mit einer Ausstellungsfläche von 11.500 Quadratmetern und 143 Räumen eröffnet. Fische, Schlangen, Echsen, Äffchen, Insekten, Lemminge – rund 250 verschiedene Tierarten leben darin. Architektonisch ist das Gebäude ausgeklügelt und in Bremerhaven nicht nur bei Nacht ein richtiger Eyecatcher. Gebaut und betrieben wird es möglichst ressourcenschonend: So liegt die CO2Bilanz des Klimahauses bei nicht einmal 300 Gramm pro Besucher. Dieser Wert entspricht etwa einem Prozent der durchschnittlichen täglichen CO2-Emission eines deutschen Bürgers oder einer Autofahrt von drei Kilometern Länge.
im futuristischen Bau im Alten Hafen der Stadt ist aufwendig und detailliert gestaltet, jeder Raum hat seine Botschaft. Bei den meisten Besuchern kommt sie an. Nicht aber bei allen. Eine Plastikflasche auf dem Gletscher soll auf die Umweltverschmutzung aufmerksam machen. Daneben lassen manche Besucher
eigenen Müll liegen, anstatt diesen in die entsprechenden Abfallkörbe zu werfen. Wer den Planeten retten will, darf sich von so etwas nicht abschrecken lassen. Umdenken braucht eben Geduld und Zeit. Deshalb setzt das Team vom Klimahaus Bremerhaven auf den Schmetterlingseffekt.
Wenn ein Schmetterling seinen Flügel bewegt, kann der Luftwirbel, der daraus entsteht, einen anderen, größeren Luftwirbel anstoßen und dieser einen weiteren. Durch die Kettenreaktion kann aus einer kleinen Bewegung irgendwann ein Wirbelsturm entstehen. Genau das soll auch im Urlaub passieren: Kleinigkeiten wie eine Anreise den öffentlichen Verkehrsmitteln oder ein achtsamer Umgang mit dem Ökosystem können viel bewirken. Denn in der Natur ist alles mit allem verbunden. Unzählige Beispiele machen das im Klimahaus deutlich: So hat der Temperaturanstieg aufgrund der Treibhausgase weitreichende Folgen und macht den sensiblen Korallen im Ozean zu schaffen.
auf dem ehemaligen Kelloggs-Fabriksareal, riecht Michael Scheer Greenwashing schon kilometerweit gegen den Wind und schlägt Kooperationsangebote auch mal selbstbewusst aus. Hier hat er erfolgreich die Gemüsewerft hochgeihren zogen, wo er mit urbaner Landwirtschaft Menschen mit eingeschränkter Erwerbsfähigkeit eine integrative Beschäftigung bietet. Gemeinnützig, ohne Profitorientierung. Längst gilt die Gemüsewerft als Vorzeigeprojekt in Sachen Stadtentwicklung. Jeder kann zur Gemüsewerft kommen, um Gemüse zu kaufen oder im Biergarten auf Palettenmöbel mit Blick auf den Fluss Weser zu entspannen. Und das mitten in einem einstigen Problemviertel.
Inzwischen baut Scheer auch Hopfen für die benachbarte Brauerei an. Allerdings ausschließlich in Hochbeeten und Kisten. Der Boden in den Städten sei oft zu verseucht, um damit rin direkt etwas zu pflanzen. Das ist eine Herausforderung für das „urban farming“. Er wünscht sich grünere Städte, hinterfragt aber viele Projekte. „Die meisten Städte haben einfach zu wenig Geld, um grüne Städte zu bauen“, weiß Scheer. Ideen punkten zwar mit schöner Architektur, doch funktionieren sie langfristig nicht, weil zu wenig über Bewirtschaftung und Finanzierung nachgedacht werde.
Er ist sich sicher: „Veränderung kommt nicht Schritt für Schritt, es wird eine Flut sein, die alle mitreißt.“Die ersten Wellen sind im Norden Deutschland bereits an Land geschwappt.