„Waffen und Sanktionen reichen nicht“
SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner fordert mehr Anstrengung, den Ukraine-Krieg auf diplomatischem Weg zu beenden. Koalition mit ÖVP sei möglich.
Die Vorsitzende der SPÖ, Pamela Rendi-Wagner, fordert die EU zu verstärkten diplomatischen Anstrengungen in Sachen Ukraine auf. Denn Waffen und Sanktionspakete würden „mittelfristig nicht reichen, diesen Krieg zu beenden“, sagt die Parteichefin im Gespräch mit den Bundesländer-Zeitungen.
Der Wunsch des angegriffenen Landes nach mehr Verteidigungswaffen sei zwar verständlich, aber: „Mir fehlt dieselbe Intensität und Anstrengung seitens Europas, wenn es darum geht, wie wir auf diplomatischem Wege aus diesem Krieg herauskommen.“
Die jüngste Reise von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) in die Ukraine und nach Russland sei zwar „grundsätzlich ein richtiger Schritt“gewesen. Aber als neutrales Land hätte man dies besser nutzen müssen – mit einem starken europäischen Verhandlungsmandat und gewissenhafter Vorbereitung. Das habe es nicht gegeben: „Es war eine spontane PRAktion, die zu keinem Ergebnis geführt hat.“
Erwartungsgemäß kritisch äußert sich die Oppositionschefin zur jüngsten Regierungsumbildung. „Wir erleben Auflösungserscheinungen. Diese Regierung ist gelähmt und handlungsunfähig, wir sehen die schwächste Regierung der Zweiten Republik und den schwächsten Bundeskanzler“, sagt sie. Nehammer sei „eigentlich nur ein Masseverwalter“der ÖVP, weshalb Neuwahlen nötig wären: „Es wäre ehrlich, würden ÖVP und Grüne sagen, wir treten vor die Wähler. Andernfalls haben wir zwei verlorene Jahre bis zur Wahl 2024.“Dass sie damit nur selber schneller Kanzlerin werden wolle, stellt Rendi-Wagner in Abrede: Es gehe nicht um ihr Wollen, sondern darum, was das Land braucht – nämlich „eine stabile Regierung“.
Die SPÖ-Politikerin verweist auf Umfragen, wonach ihre Partei massiv an Vertrauen dazugewonnen habe: „Wir liegen als einzige Partei derzeit etwa acht Prozent über dem Wahlergebnis von 2019. Ich werde hart daran arbeiten, das weiter auszubauen.“Ihr Ziel sei, die nächste Regierung zu bilden, sagt sie und deutet an, schon Namen für ein Kabinett im Kopf zu haben: „Niemand geht ohne Plan und Ziel in eine politische Auseinandersetzung, geschweige denn in einen Wahlkampf.“
In Sachen Koalition ist für Rendi-Wagner offenbar trotz der harten Kritik ein künftiges Zusammengehen mit der ÖVP denkbar, denn sie sagt: „Ich schließe eine Koalition mit der FPÖ aus. Alles andere ist für mich offen.“Angst vor weiteren Querschüssen aus den eigenen Reihen habe sie nicht: „Ich mache meine Arbeit.“
In der Energiepolitik äußert sich die SPÖ-Chefin zurückhaltend, was ein Gasembargo gegenüber Russland betrifft. Sie sei „gegen ein sofortiges Gasembargo, weil Österreich massiv von russischem Gas abhängig ist. Das würde uns mehr schwächen, als es Putin schwächt“, betont sie. Man müsse jetzt aber rasch handeln, um dies zu verändern, denn nach mehr als zwei Jahren grüner Regierungsbeteiligung sei es noch immer so, dass Österreich jenes Land mit der größten Abhängigkeit von russischem Gas sei. „Hier sind keine Schritte weg aus der fossilen Energie und von der russischen Abhängigkeit gesetzt worden“, kritisiert sie – „wenn man absieht von Besuchen in Katar für Gas, das man wahrscheinlich nie bekommt.“
Flankierend zur Energiewende sei eine neue Wirtschaftspolitik nötig, in der ein aktiver Staat eng mit der Industrie kooperiert. „Hier stehen 700.000 Arbeitsplätze auf dem Spiel.“Dem kürzlich gemachten Vorstoß Nehammers, eine Gewinnabschöpfung bei teilstaatlichen Energieunternehmen vorzunehmen, stimmt Rendi-Wagner tendenziell zu: „Die SPÖ hat dazu ja schon Anträge eingebracht, aber die ÖVP hat vor ein paar Wochen dagegen gestimmt.“Der Ansatz sei richtig: „Mir konnte noch niemand erklären, warum Strom aus Wasserkraft oder Sonnenenergie genauso teuer sein soll wie jener aus Gas. Diese Preisgestaltung versagt in Krisenzeiten.“Allerdings hätte der Kanzler vor seiner Aussage mit den betroffenen Firmen sprechen müssen – das sei unterblieben.
Den SPÖ-Plan, die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel wegen der starken Teuerung zu senken, verteidigt sie: Geringverdiener seien hier proportional stärker belastet. Eine Gießkannenförderung sei das nicht: „Auch die Mittelschicht ist stark betroffen, deshalb muss breiter angesetzt werden.“
Das Gespräch fand im Rahmen eines Treffens der Bundesländerzeitungen mit Pamela Rendi-Wagner statt. Für die Kleine Zeitung nahm CR Hubert Patterer teil.