Er führt Finnland in neue Zeiten
Präsident Niinistö schreibt mit Nato-Entscheidung Geschichte.
Als Heißsporn ist er bisher noch nicht aufgefallen, und doch hat Sauli Niinistö gestern für Finnland einen Schritt gesetzt, den er sich vor wenigen Wochen wohl selbst nicht hätte vorstellen können: Der 73-jährige Staatspräsident der Finnen sprach sich, gemeinsam mit Premierministerin Sanna Marin, für einen „unverzüglichen“Nato-Beitritt seines Landes aus. Dass es Kritik und Drohungen aus Moskau hageln würde, war ihm bewusst. Niinistö kennt Wladimir Putin seit Langem persönlich und gut.
Über Jahre hatte der Konservative auf Dialog mit Moskau gesetzt. Wie die Mehrzahl seiner Landsleute sah er Finnlands Platz in der Welt jahrzehntelang im Kreis der militärisch Bündnisfreien. Der Überfall Russlands auf die Ukraine hat nun offenbar alles Vertrauen zerstört. Auf die Frage, wie Russland, seiner Einschätzung nach, auf einen finnischen Nato-Beitritt reagieren wird, kündigte Niinistö an, er werde Putin erklären: „Du hast das verursacht. Schau in den Spiegel.“Die finnische
Entscheidung sei „gegen kein anderes Land gerichtet“, aber eine Frage der Sicherheit Finnlands, so Niinistö.
Der Jurist, der 2018 seine zweite Amtszeit antrat und zuvor zahlreiche Regierungsämter innehatte, gilt als populärer und moderater Politiker. Als größte Gefahr für Finnland bezeichnete er vor wenigen Wochen den Klimawandel. Den Krieg hatte er, wie er selbst sagt, nicht erwartet. Dennoch ist seine plötzliche Kehrtwende getragen von einem breiten Konsens in Finnland.
Wie zerbrechlich menschliches Leben sein kann, weiß Niinistö aus eigenen Schicksalsschlägen. 1995 starb seine Frau Marja-Leena bei einem Verkehrsunfall. „Fünf Jahre Einsamkeit“lautet der Titel des Buches, in dem er seine Bewältigung des Verlusts und die Erfahrung als alleinerziehender Vater zweier Söhne beschrieb. Bei einer Thailand-Reise 2004 überlebte er den Tsunami damals selbst nur knapp: Er musste sich mit seinem jüngeren Sohn für mehrere Stunden auf einen Telefonmast retten.