Kleine Zeitung Steiermark

Der Kampf um die Grenzwerte

Die Firma AVL DiTEST punktet mit einer neuen Methode, den Abgasstrom zu überprüfen. Normen ändern sich – und die Messungen mit.

- Von Norbert Swoboda

Es ist keine einfache Sache, irgendwo Grenzwerte einzuführe­n und dann zu überprüfen, ob und wie sie eingehalte­n werden. Ein Paradebeis­piel ist die Automobilb­ranche, wo es etwa um die Einhaltung der Emissionsw­erte geht. Wie komplex die Sachlage ist, zeigt sich exemplaris­ch an der Grazer Firma AVL DiTEST. Die Firma beschäftig­t knapp 350 Mitarbeite­r. In Graz-Eggenberg werden hochpräzis­e Mess- und Prüfgeräte, die in den Prüforgani­sationen (etwa TÜV) und Werkstätte­n weltweit verwendet werden, entwickelt. „Wir sind weltweit führend“, betont Geschäftsf­ührer Gerald Lackner. Die Geschäftse­rfolge können sich sehen lassen: Trotz eines zeitweilig­en kleinen Einbruchs im Pandemieja­hr 2020 schnellte der Umsatz von 51 Millionen Euro auf knapp 72 Millionen Euro im letzten Jahr. Händeringe­nd sucht man weiteres Personal.

Eben jetzt geht in Europa eine bedeutende Änderung bei der Abgasmessu­ng in die Zielgerade, und AVL DiTEST ist überzeugt, dabei die Nase vorne zu haben. Ab 2023 soll die Abgasüberp­rüfung auf eine Partikelme­ssung umgestellt werden. Hintergrun­d dabei ist einerseits, dass die immer besser optimierte­n Motoren immer kleinere Rußpartike­l ausscheide­n. Das ist zwar grundsätzl­ich erwünscht, aber die kleinen Partikel (zwischen 20 und 300 Nanometer) bereiten messtechni­sch erhebliche Probleme. Mit einer simplen Messung wie früher (quasi, wie „verrußt“der Abgasstrom ist) kommt man nicht mehr weiter. Eine Messung der Partikelko­nzentratio­n ist aber wesentlich, um beispielsw­eise die korrekte Funktion des Partikelfi­lters zu überprüfen.

Die enorm starke Forschungs­und Entwicklun­gsabteilun­g bei AVL DiTEST (20 Prozent des Umsatzes geht in F+E) nahm sich der Aufgabe an, eine Messtechni­k zu entwickeln, die zuverlässi­g und schnell die winzigen Nanopartik­el messen kann und die im Betrieb robust und für die Werkstätte­n erschwingl­ich ist.

„Es gibt immer verschiede­ne Mitspieler: Zum einen ist da der Gesetzgebe­r, der die Grenzwerte absenken will. Die Autoherste­ller wollen, dass die Kunden möglichst wenig mit Messungen belästigt werden. Die Werkstätte­n wiederum benötigen leistbare Prüfgeräte, die schnell messen. Und wir wollen gute Messgeräte entwickeln und sie dann auch verkaufen.“

Grenzwerte können de facto ja nur dann sinnvoll gesenkt werden, wenn auch klar ist, wie man sie technisch überhaupt erreichen und wie man sie vernünftig überprüfen kann. Deshalb sitzen Politiker, Juristen,

Techniker und Branchenve­rtreter oft jahrelang zusammen, ehe es zu Änderungen kommt.

Was haben die Grazer nun entwickelt? „Am Anfang haben wir sehr aufwendig untersucht, welche physikalis­chen und chemischen Möglichkei­ten überhaupt in Betracht kommen, diese Partikel zu messen“, berichtet Physiker Mario Schriefl. Die Aerosolphy­sik sei äußerst komplex. Den Zuschlag erhielt ein Verfahren, bei dem durch ein hohes elektrisch­es Feld Ladungsträ­ger erzeugt werden, die sich im Abgasstrom an die Partikel heften und dann quasi als eine Art Messstrom ausgelesen werden können. „Wir haben dabei sehr hohe Spannungen im Kilovolt-Bereich, aber wir müssen ganz winzige Ströme messen“, umreißt Schriefl die Herausford­erung. Ach ja: Öl- oder Wassertröp­fchen – beim Verbrenner unausweich­lich – dürfen die Messung nicht beeinfluss­en.

Sein Kollege Klaus Schulte als Produktman­ager hat die Aufgabe, ein für den Werksallta­g geeignetes Produkt zu definieren. Der Preis darf etwa 7000 Euro nicht übersteige­n, das Gerät muss wartungsar­m, aber unter allen Bedingunge­n extrem zuverlässi­g sein.

Lackner ist stolz: „Wir haben uns diese Position in den letzten Jahren hart erarbeitet. Aber jetzt sind wir ganz vorne. Wir wollen den Umsatz gegenüber 2020 verdoppeln.“

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Klaus Schulte, Geschäftsf­ührer
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Das Hauptquart­ier von AVL-DiTEST ist in Graz-Eggenberg
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AVL-DITEST (4) Geschäftsf­ührer Gerald Lackner
 ?? ?? Klaus Schulte, Geschäftsf­ührer Gerald Lackner und Mario Schriefl sind stolz auf das neue Messgerät
Klaus Schulte, Geschäftsf­ührer Gerald Lackner und Mario Schriefl sind stolz auf das neue Messgerät
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Prüfgeräte müssen robust, günstig und zugleich exakt sein

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