Mutig handeln: Wann, wenn nicht jetzt?
Klima-Aktivistin, Graz
Wahrscheinlich kennen Sie das aus dem eigenen Leben: Für große und schwere Veränderungen findet man nie den richtigen Zeitpunkt. Es gibt keinen „perfekten“Moment, um eine Beziehung zu beenden oder den Job zu kündigen. Doch gleichzeitig gibt es manche Dinge, die müssen geschehen, egal wie lange man die Entscheidung hinauszögert. So ist das auch mit dem Ausstieg aus dem System der fossilen Energien. „Perfekt“ist der jetzige Zeitpunkt nicht, aber andererseits wird er das auch nie werden.
Hätten wir uns 2014, nach der Annexion der Krim, schon unabhängig von Putins fossilen Energieträgern gemacht, dann wären wir jetzt nicht in dieser erpressbaren Situation. Aber das Gegenteil ist passiert. Die Frage ist, ob wir eines Tages auf das Jahr 2022 zurückblicken und sagen können: Ja, wir haben unsere Lektion gelernt und uns endlich von dem System fossiler Energien verabschiedet. Doch wenn wir nicht einmal jetzt den Ausstieg schaffen, wo ein Öl- und Gasembargo unsere einzige Chance wäre, diesen unmenschlichen Krieg mitten in Europa zu beenden und ein Mal mutig in Sachen Klimaschutz zu sein, dann möchte ich ehrlich gesagt nicht wissen, was noch passieren muss, damit wir aufwachen.
Denn eines ist klar: Das System fossiler Energien ist IMMER dreckig; sei es im Hinblick auf unsere Menschenrechte oder unseren Klimaschutz. Genau deshalb müssen wir uns nicht nur die Frage der Herkunft unserer Öl- und Gasimporte stellen. Wir müssen uns auch ganz konkret überlegen, an welchen Stellen wir sie einsparen können. Und damit meine ich nicht nur, dass Sie und ich die Heizung zwei Grad runterstellen. Damit meine ich eine kräftige, schnelle, entschiedene Energiewende, die Politik, Wirtschaft und Haushalte gemeinsam tragen und die soziale Ungleichheiten nicht aus den Augen verliert. Ö sterreich hat auch ein extrem großes Potenzial, wenn es um den Ausbau der erneuerbaren Energien geht. Unsere Flüsse, der Wind und die Sonne geben uns die Chance auf Unabhängigkeit von autokratischen Staaten und auf ein gleichzeitig klimafreundlicheres und moralischeres Leben. Diese Chance müssen wir nutzen.