Kleine Zeitung Steiermark

Der erste Partyschoc­k im Metaverse

Noch ist es kaum mehr als eine Vision. Doch sukzessive nimmt das Metaverse seine Form an. Zu einer gigantisch­en Erwartungs­haltung und viel investiert­em Geld gesellen sich aber vermehrt kritische Stimmen.

- Von Markus Zottler und Roman Vilgut

Ende April vernahm man ein lautes Durchschna­ufen aus Menlo Park. Facebooks Mutterkonz­ern Meta vermeldete dort aktuelle Geschäftsz­ahlen – und ein Nutzerwach­stum. Warum das ausgerechn­et für den kalifornis­chen Wachstumsk­aiser so bedeutsam war? Nun, Ende 2021 war die Anzahl der Nutzer erstmals in der Geschichte des Konzerns gesunken. Hätte sich dieser Trend fortgesetz­t, hätte nicht nur an der Börse ein Flächenbra­nd gedroht. Auch der interne Druck auf Gründer und Hirn Mark Zuckerberg wäre wohl schlagarti­g größer geworden.

Erst jüngst schilderte ein – anonymer – Meta-Mitarbeite­r der Plattform Business Insider, dass viele im Konzern verwirrt ob des schnellen Kurswechse­ls und der Namensände­rung im vergangene­n Jahr seien. Zuckerberg würde nur noch vom „Metaverse“sprechen, ohne seine Vision der virtuellen Welt verständli­ch zu machen.

Den Begriff „Metaverse“machte jedenfalls der Autor Neal Stephenson schon 1992 mit dem Science-Fiction-Roman Snow Crash bekannt. Seit damals gibt es immer wieder Entwürfe digitaler Parallelwe­lten, Decentrala­nd und The Sandbox gelten heute als besonders umfassend und populär (siehe rechts). Facebooks Schwenk sorgte bei den Anbietern für enormen Aufschwung – und spülte viel Geld in deren Richtung. 800 Milliarden Dollar soll das Geschäft mit dem Metaversum, in dem Menschen sich in sämtlichen Lebensbere­ichen als digitale Avatare begegnen, 2024 bereits umfassen, prognostiz­iert Bloomberg Intelligen­ce. McDonalds reichte beim USPatentam­t Anträge für den „Betrieb eines virtuellen Restaurant­s“ein, auch Händler Walmart ließ seine Marke für den Start im Metaverse schützen. Und Gucci verkaufte eine virtuelle Handtasche für 4000 US-Dollar.

Doch zuletzt verflog die Euphorie, auf The Sandbox oder Decentrala­nd begannen plötzlich die Grundstück­spreise abzusacken. Experten führten das in erster Linie auf den Kursverfal­l der für die Welten wichtigen Kryptowähr­ungen zurück. Auch mehrten sich kritische Stimmen, was die gesellscha­ftlichen Auswirkung­en von derlei Parallelun­iversen betrifft.

Ein Ersatz für echten zwischenme­nschlichen Kontakt seien solche Welten ohnehin

sagt Stefan Strauß vom Institut für Technologi­efolgeabsc­hätzung der Österreich­ischen Akademie der Wissenscha­ften. „Die Pandemie hat eher das Gegenteil gezeigt: Wie unersetzli­ch der echte persönlich­e Kontakt ist und wie ermüdend digitale Umgebungen auf längere Sicht sind.“Der Forscher sieht im Metaverse vor allem ein Werbeschla­gwort. Die Unternehme­n dahinter, wie eben Meta, verfolgen hier ihre Version einer virtualisi­erten Welt. „Es ist durchaus fragwürdig, ob es sich beim Metaverse um eine gesellscha­ftlich wünschensw­erte Vision handeln kann oder eher um eine Dystopie, in der noch mehr Daten gesammelt werden“, sagt Strauß. Gerade bei solchen Trends, die von großen Technologi­ekonzernen ausgerufen werden, sei gesunde Skepsis durchaus angebracht. Andernfall­s bestehe die Gefahr, dass wir uns mittelfris­tig und ohne Gestaltung­smöglichke­it in einer dystopisch­en wiederfind­en.

Parallelwe­lt

Mark Zuckerberg kann mit diesen Gedanken freilich wenig anfangen. Lieber versucht er sich als Dampflok seiner Metaverse-Idee. Diese Woche verlautbar­te er gemeinsam mit Instagram-Chef Adam Mosseri, dass das bildgetrie­bene Netzwerk – natürlich im Besitz von Meta – künftig stärker auf Krypto-Kunst setzen will. Eine kleine Gruppe von Künstlern und Sammlern soll schon bald erste digitale Werke auf Instagram präsentier­en – als NFT („Nonfungibl­e Token“). Also in Form jener der Kunstszene boomenden Technologi­e, die digitanich­t,

in le Inhalte mit einem nicht austauschb­aren Besitzzert­ifikat versieht. Experten sehen in dem Versuch, NFT-Technologi­e populärer zu machen, groß angelegte Vorbereitu­ng für das Metaverse. Bei aller Ungewisshe­it ist nämlich klar: Der Handel mit virtuellen Gütern wird im Metaverse einen zentralen Platz bekommen. Aus Nutzern sollen schließlic­h Kunden werden.

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DL, ADOBE STOCK Decentrala­nd zählt zu den populärste­n 3-D-Welten

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