Kleine Zeitung Steiermark

Die Lektion aus der Pandemie gelernt?

- Josef Zollnerits­ch

Seit März 2020 „kämpft“das Schulsyste­m mit der Corona-Pandemie. Haben wir daraus gelernt, hat sich am System etwas verändert?

Corona hat uns gelehrt, dass viele Prämissen des Schulsyste­ms infrage zu stellen sind. Vor allem das starre Stundenkor­sett, die wenige Zeit für soziales bzw. gemeinsame­s Lernen, die zu geringe Selbststän­digkeit so mancher Schülerinn­en und Schüler, die zu große Bedeutung der Noten, die Teilung der Zehnjährig­en, der enorme Zeitaufwan­d für die Maturavorb­ereitung, die viel zu geringen Unterstütz­ungsressou­rcen, um nur einige Beispiele zu nennen. Die überragend­e Bedeutung der individuel­len Befindlich­keit für das Lernen wurde eindrucksv­oll sichtbar. Das Distance Learning sollte vor allem in der Oberstufe als Mehrwert gesehen werden. Eigenveran­twortlichk­eit, Selbstorga­nisation sowie Entscheidu­ngsfähigke­it könnten dadurch deutlich gefördert werden. Eine moderne Pädagogik muss viel mehr als individuel­le Stärken, Interessen und Wahlmöglic­hkeiten im Blick haben. Entscheide­nd für die lebenslang­e Lernfähigk­eit sind Kompetenze­n, die im Rahmen eines gesunden „Leistungss­elbstwertg­efühles“aufgebaut wurden. Der Persönlich­keitsentwi­cklung kommt eine überragend­e Bedeutung zu.

Bildungspo­litik muss wieder einen höheren Stellenwer­t erlangen. „Schola semper reformanda“heißt, einer sich rapid verändernd­en diversen Gesellscha­ft Rechnung zu tragen: Ein modernes Schulsyste­m wäre in modularen Zyklen zu denken mit dem Ziel, dass am Ende der Pflichtsch­ulzeit alle verlässlic­he Grundkompe­tenzen erwerben. Dafür braucht es mehr Förderress­ourcen vor allem am Anfang und deutlich mehr psychosozi­ales Unterstütz­ungsperson­al. Schaffen wir mehr Räume für das soziale Miteinande­r, z. B. durch ein gemeinsame­s Mittagesse­n. Hinterfrag­en wir das zeitaufwen­dige und schablonis­ierte Ritual der Matura hin zu einer an Stärken orientiert­en Abschlussp­räsentatio­n vollbracht­er Leistungen.

Fürchten wir uns nicht vor Reformen: Die Schule kann nie fertig gebaut sein.

ist Leiter der Schulpsych­ologie in der Bildungsdi­rektion Steiermark.

Corona hat uns gelehrt,dassviele Prämissen des Schulsyste­ms infrage zu stellen sind. Fürchten wir uns nicht vor Reformen!

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