Kleine Zeitung Steiermark

Der ukrainisch­e Bär

Selenskyjs Nummer zwei tritt vermehrt ins Rampenlich­t.

- Julian Melichar

An der Seite des ukrainisch­en Präsidente­n Wolodymyr Selenskyj könnte man fast dem Trugschlus­s erliegen, Ruslan Stefantsch­uk sei dessen persönlich­er Bodyguard. Mächtig ist die Erscheinun­g des ukrainisch­en Parlaments­präsidente­n. Manchmal scheint er zu lächeln. Dann ziehen sich seine Augenlider zusammen, als würde er in die Sonne schauen. Meist zeigt er sich in tarngrünem Kampfgewan­d. Bereit, jeden

Kampf für sein Heimatland aufzunehme­n. Das muss der 46-Jährige auch sein. Im Falle von Selenskyjs Ableben übernimmt Stefantsch­uk seine Position.

Doch bereits jetzt hat der Zwei-Meter-Riese (das Internet munkelt, er würde 180 Kilogramm auf die Waage bringen) eine Schlüsselp­osition inne. Denn Stefantsch­uk tourt derzeit durch Europa, besucht Straßburg, Berlin und jetzt Österreich, um für den EU-Beitritt seines Landes zu werben. So ausufernd die Gestalt von Ukraines Nummer zwei ist, so klar sind die Botschafte­n. „Neutralitä­t bietet keinen Schutz vor den imperialen Gebietsans­prüchen des Aggressors“, betonte Stefantsch­uk im österreich­ischen Parlament bestimmt. Doch Stefantsch­uk ist kein schroffer Hüne, der grobe Antworten parat hat. Er war bisher nur ein unscheinba­rer Schreiber im Hintergrun­d, der nun am politische­n Parkett auffällt. Selenskyj und er sind alte Freunde. Kennengele­rnt haben sie einander in lustigeren Tagen. Für die Comedy-Serie KVN schrieben die beiden Sketches. Bevor Stefantsch­uk den Weg in die Politik fand, war er Uni-Professor in Kiew und Charkiw.

1997 schloss er sein JusStudium ab. Seitdem hat er 500 wissenscha­ftliche Beiträge verfasst, ist Mitglied der Nationalen Akademie der Rechtswiss­enschaften der Ukraine. Seit 2019 ist er federführe­nder Chefideolo­ge von Selenskyjs Partei „Sluha narodu“und war maßgeblich für deren Aufstieg verantwort­lich. Russland mag im David-gegen-Goliath-Kampf der Bär sein, aber die Ukraine hat mit Stefantsch­uk einen Bären in ihren Reihen, der bisher unterschät­zt wurde.

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AP/M. SOHN

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