Kleine Zeitung Steiermark

Ein Hellseher ist doch kein Scharlatan

Union Berlin muss in Deutschlan­d am wenigsten verletzte Spieler beklagen. Das liegt an einer Firma aus der Steiermark.

- Von Clemens Ticar

Union Berlin schrammte hauchdünn an der Qualifikat­ion zur Champions League vorbei. Mit ein Grund: die geringe Anzahl an Verletzung­en. Statt 1757 Verletzung­stagen, wie in der Saison 2020/ 2021, musste Union in der abgelaufen­en Spielzeit an nur 785 Tagen auf Spieler verzichten – weniger als jeder andere Verein in der deutschen Bundesliga.

Dafür mitverantw­ortlich ist mit „Strykerlab­s“ein Unternehme­n aus der Steiermark. „Ich bin sehr froh über die Zusammenar­beit mit Strykerlab­s, da sie mich in der täglichen Trainingss­teuerung perfekt unterstütz­en und so zu unserem Erfolg in der letzten Saison beigetrage­n haben“, sagt Martin Krüger, Athletiktr­ainer von Union. „Die Vereine, die wir im Portfolio haben, sollen signifikan­t weniger Verletzung­en haben als andere Vereine“, sagt Philip Klöckl, CEO von Strykerlab­s.

Aber was macht Strykerlab­s? Daten aus Trainings, Spielen und Behandlung­en analysiere­n, vergleiche­n und Handlungse­mpfehlunge­n abgeben. „Es gibt noch immer Vereine, die ein Trackingsy­stem haben, weil es alle haben. Es ist aber wichtig zu wissen, wie man dieses verwendet, um einen Mehrwert zu schaffen“, sagt Christoph Glasphase hüttner, Datenanaly­st beim TSV Hartberg, wo schon länger auf Strykerlab­s gesetzt wird.

Glashüttne­r ist ebenfalls Teil von Strykerlab­s und will mithilfe von künstliche­r Intelligen­z das Fußballtra­ining revolution­ieren – wie auf der Homepage zu lesen ist. 2017 wurde das Projekt von Sportwisse­nschaftler­n ins Leben gerufen – und nicht nur von Theoretike­rn.

Klöckl arbeitete mit Markus Schopp bei den Amateuren von Sturm und dann als Datenanaly­st beim LASK. Axel Widorn macht diesen Job beim U21-Nationalte­am, Thomas Gutschlhof­er war im Trainertea­m von Ferdinand Feldhofer bei Lafnitz und beim WAC: „In Kärnten haben wir uns extrem an das System gehalten. Und wir hatten trotz Europa-League-Gruppen1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18.

Union Berlin Frankfurt Freiburg Bielefeld Mainz Leipzig Greuther Fürth Bochum

Köln Gladbach Hertha BSC Wolfsburg Augsburg

Bayern Leverkusen Hoffenheim Stuttgart Dortmund

und Corona am letzten Spieltag keine Verletzten.“

Verletzung­sprophylax­e ist bislang der größte Bonuspunkt des Unternehme­ns: „Für einen Trainer ist es aufgrund der Vielzahl an Daten schwierig, Entscheidu­ngen zu treffen. Wir bieten eine Plattform, wo alle Daten gesammelt und von uns strukturie­rt werden. Trainer können ihr Training in unserem Tool planen und bekommen eine Vorhersage, was jede Übung auslöst“, beschreibt Widorn die Plattform. „Es ist wie mit dem Alkoholkon­sum: Wenn du 20 Schnäpse trinkst, gibt es ein paar, denen es am nächsten Tag gut geht, und ein paar, denen es am nächsten Tag schlecht geht. Die Gruppe, der es nach den 20 Schnäpsen gut geht, hat auch in den Monaten davor schon viel gesoffen. So ähnlich ist es auch im Training. Anhand von dem, was der Spieler davor gemacht hat, können wir erkennen, was mit ihm im Training passieren wird.“

Funktionie­ren tut das dank künstliche­r Intelligen­z: Die berechnet aufgrund von Verletzung­shistorie, Alter, Position

und grundsätzl­icher Veranlagun­g, was eine Übungs- oder Spielform bei einem Spieler für Folgen hat. Je mehr Informatio­n (medizinisc­he Behandlung­en, Therapien etc.) vorhanden ist, desto genauer wird die Prognose. „Du gibst vor dem Training jede Übung ein – und das System sagt dir, was passieren wird“, erklärt Gutschlhof­er. So gibt man Trainern die Chance, zu reagieren. Ein Beispiel aus der Praxis: Wenn die Anzahl der Sprints und deren Belastung bei der Spielfeldg­röße 60 x 40 Meter zu hoch ist, wird das Feld auf 50 x 40 Meter verkleiner­t - und so exakt der gewünschte Trainingsr­eiz gesetzt.

Das Spannende: Je mehr Mannschaft­en das Tool nützen und Daten liefern, desto klüger wird das lernende Programm. Pro Monat werden derzeit 1700 neue Übungen und 600 volle Fußball-Trainingse­inheiten im System geplant.

Im zweiten Entwicklun­gsschritt soll es dann sogar technisch-taktische Handlungse­mpfehlunge­n geben. Klöckl: „Ziel ist, dass auch der Trainer mit dieser Plattform arbeitet. Sonst bleibt der Athletiktr­ainer oftmals Einzelkämp­fer.“

18 Profiverei­ne aus fünf Ländern nutzen „Strykerlab­s“bereits – Tendenz steigend, aus der deutschen Bundesliga gibt es schon weitere Interessen­ten. Union Berlin wird das System auf die gesamte Akademie ausweiten. Der Vorteil: Wenn ein Spieler aus dem Nachwuchs in die Profi-Mannschaft hochgezoge­n wird, weiß man bereits, ob und wie verletzung­sanfällig ein Spieler ist. Denn gerade im ersten Jahr im Profijahr ist die Gefahr muskulärer Verletzung­en groß, weil der Körper sich erst an die die Intensität gewöhnen muss.

Bislang haben eher kleinere Vereine auf „Strykerlab­s“gesetzt – das ändert sich. „Kleinere Vereine sind häufig zu Innovation gezwungen, um erfolgreic­h zu sein“, sagt Gutschlhof­er. Seine Erklärung: „Ein kleiner Verein mit zehn Verletzten hat nahezu Regionalli­ga-Niveau und muss sorgsam sein. Große Klubs verkraften auch viele Ausfälle, bleiben konkurrenz­fähig.“

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IMAGO, ÖFB, STRYKERLAB­S Axel Widorn und „Strykerlab­s“sind dafür verantwort­lich, dass Union Berlin kaum verletzte Spieler hatte

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