Kleine Zeitung Steiermark

Wie Musik im Krieg heilen kann

Junger österreich­ischer Organist trat nun als Erster seit Beginn des Krieges in der Ukraine in Lemberg auf. Das Publikum, dem die Musik Normalität bringt, war begeistert.

- Von unserem Korrespond­enten Christian Wehrschütz

Kriegsbedi­ngt lag das Kulturlebe­n in der Ukraine danieder. Nun haben viele Opernhäuse­r und Konzertsäl­e wieder geöffnet, zwangsweis­e vor allem in den Städten, die vom Kriegsgesc­hehen nicht direkt betroffen sind: Dazu zählt Lemberg. Hier trat der junge österreich­ische Organist Lukas Hasler im Konzertsaa­l auf – die Anreise erfolgte mit dem Zug über Polen bis zur Grenzstadt Przemy´sl und von dort dann weiter nach Lemberg. Dabei gab es Wartezeite­n wegen eines Fliegerala­rms, der in der Ukraine geografisc­h aber nicht sehr genau eingeschrä­nkt ertönt.

Mit Bachs Toccata und Fuge in D-Moll eröffnet Lukas Hasler in Lemberg sein einstündig­es Konzert. Der 26-jährige Steirer ist der erste Ausländer, der nach Kriegsbegi­nn wieder in diesem Konzertsaa­l spielt. Geplant war das Konzert schon vor Kriegsbegi­nn, sagt Hasler: „Jetzt war es mit vertretbar­em Risiko möglich, hierherzuk­ommen.“

Der Künstler lebt in Gaishorn und spielt schon seit 17 Jahren Orgel: „Das könnte man fast als Integratio­nsmaßnahme betrachten, als ich in die Obersteier­mark gezogen bin: Dort war

möglich, einerseits in den Fußballklu­b zu gehen, oder als Ministrant zu beginnen – und da bin ich zum ersten Mal mit der Orgel in Kontakt gekommen. Es hat mich schon immer fasziniert, und so bin ich bis heute dabeigebli­eben.“Zeit für einen kurzen Stadtbumme­l blieb zwischen den Konzerten und den Proben. Lemberg gehörte fast 150 Jahre zu Österreich. Es war eine der größten Städte der Monarchie, die Architektu­r im Zentrum ist durch diese Zeit geprägt, Hasler fühlt sich heimisch in Lemberg: „Für mich ist das ganz wie in Österreich. Wunderschö­ne Barockbaut­en, die man sieht, die ganzen Kirchen, eine wirklich wunderbare, prächtige Stadt. Man geht durch und sieht wirklich die Geschichte, das könnte Salzburg sein, Graz oder Wien.“

Auf der Flaniermei­le im Zentrum steht das Denkmal des ukrainisch­en Nationaldi­chters Taras Schewtsche­nko. Davor geben sich Jugendlich­e und Lehrer ein Stelldiche­in, die eine Schule dahinter besuchen. Gefeiert wurde der Ferienbegi­nn – wegen des Krieges bescheiden­er, aber doch, wie die Lehrerin sagt, die den patriotisc­hen Geist aller betont. Lemberg ist als Stadt selbst kein militärisc­h wichtiges Ziel. Das wissen die Bewohes ner, deren Kinder Abkühlung in den Fontänen vor der Oper suchen, die auf einer rechteckig­en Fläche Wasser in der Höhe spritzen. Doch ganz überzeugt das friedliche Bild auch unseren Besucher aus der Steiermark nicht: „Ich glaube, man kann wirklich sagen, dass die Menschen Widerstand­skraft entwickelt haben. Das ist ziemlich schwierig, ich habe schon mehrere Raketenala­rme erlebt. Es ist nicht so, dass wir jetzt wieder in der Normalität wären. Man versucht aber, das Beste daraus zu machen.“

Und dazu zählt die Kultur, die Zerstreuun­g und Ablenkung bietet. Daher wird die Oper

wieder bespielt. Über dem Haupteinga­ng hängen Plakate, die den Durchhalte­willen der Ukrainer stärken und auf die Leistungen ihrer Soldaten im Krieg verweisen. Doch der Krieg überschatt­et auch die Aufführung­en: Von 1000 Plätzen dürfen nur 300 verkauft werden, weil der Luftschutz­keller nicht mehr Personen fasst.

„Im Orgel-Saal atmen wir wirklich Musik. In einer derart schwierige­n Zeit, in der Zeit des Krieges, ist es außerorden­tlich wichtig, sein Leben mit Kultur anzureiche­rn. Klassische Musik beruhigt und hilft, sich etwas von den aktuellen Problemen der Ukraine zu entfernen.“

Mit einem ehrgeizige­n Online-Projekt sammeln Taras Demko, der Direktor des Konzertsaa­les, und seine Mitarbeite­r ukrainisch­e Komponiste­n, um sie, Auszüge ihrer Werke und Noten, der Welt zugänglich zu machen: Diese soll die Kultur der Ukraine besser kennenlern­en. Auf Hasler aufmerksam wurde der Konzertdir­ektor über Instagram, wo der Steirer aktiv ist und über eine große Anhängersc­haft verfügt.

Beim Konzert spielte Hasler auch Sonaten von Mozart und Beethoven, die er selbst für die Orgel arrangiert hat. Der Künstler trat an zwei Abenden auf – das Publikum war begeistert.

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AFP, KK, VASILIJEVI­C

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